Blackfield - Blackfield II (2007)

12.04.2015 19:31

Veröffentlichung: 2007

Stil/ Genre: Pop, Artpop

 

Besetzung:

Steven Wilson - Gesang, Keyboards, Gitarre

Aviv Geffen - Gesang, Keyboards, Gitarre

Tomer Z - Schlagzeug

Seffy Efrati - Bass

Daniel Salomon  - Klavier

 

Titelliste:

1. Once

2. 1000 People

3. Miss U

4. Chrstianings

5. This Killer

6. Epidemic

7. My Gift Of Silence

8. Some Day

9. Where Is My Love?

10. The End Of The World

 
 

Hinter dem etwas einfallslosen Namen Blackfield verbirgt sich, wie hinter so vielem, mal wieder ein Altbekannter: Steven Wilson. Hier hat er sich zusammengetan mit dem israelischen Musiker Aviv Geffen. Obwohl die beiden (Quellen zufolge) als weitgehend ausgeglichenes Duo arbeiten und Geffen sogar den Großteil der Songs geschrieben hat, schwingt hier im Prinzip ununterbrochen der typische Wilson-Vibe mit. Wenn allerdings schon Neal Morse Alben rausbringen durfte, die nur aus Gott gewidmeten Schmalzballaden bestanden, dann darf auch Wilson Alben rausbringen, die nur aus traurigen Liebesballaden bestehen.

Wir haben hier also melancholiegetränkte Hochglanz-Pop-Balladen mit Wilson-Touch und der typischen „Mir-geht’s-scheiße“-Marke. Dieses Album bietet keinen Progressive Rock, keine Metal Riffs, sehr wenige Soli und einfache Songstrukturen. Vielleicht hatte es Steven auch mal satt, dauernd „Werke“ schreiben zu müssen, die dem Etikett „Progressive Rock“ gerecht werden. Demzufolge muss man sich aber auch im Klaren sein, dass man hier keine genialen musikalischen Ergüsse vorfindet. Dennoch hatte Wilson schon immer ein Händchen für Balladen, also geben wir der Sache mal eine Chance.

 

Einzähler, TomToms, ein repetitives Gitarrenmotiv und Wilsons Stimme. Die ersten 10 Sekunden von Once offenbaren bereits, dass wir hier kein Luminol erwarten dürfen (für die Leute, die Blackfield später als The Raven kennengelernt haben). Trotzdem hat sich gerade dieser Song zu meinem liebsten des Albums entwickelt. Er hat einen äußerst gelungenen Refrain, hübsche Streicherarrangements und einen schönen, traurigen Text. Wir haben hier eindeutig einen typischen Wilson Popsong vor uns, wie wir ihn eigentlich schon oft gehört haben. Aber bei solchen Sachen reicht halt manchmal einfach eine schöne Hookline aus, um so einen Song hörenswert zu machen. Und diese ist hier so gut gelungen, dass der Song einem noch lange danach im Kopf bleibt.

1000 People wirkt noch viel depressiver; Zeilen wie „I wanna die in this moment, I wanna die“ zeugen nicht gerade von einer besonders lebensbejahenden Attitude. Auch hier überzeugt man wieder mal durch einen sehr guten Refrain mit Streichern und schönem Satzgesang. Im Hintergrund zwischen Strophe und Refrain hört man übrigens manchmal den Soundeffekt, der auch ganz am Anfang von Shine On Your Crazy Diamond vorkommt.

Miss U ist der erste Song, der von Aviv Geffen im Alleingang geschrieben wurde. Trotzdem klingt er wie ein Wilson-Song. Miss U ist nett, nicht groß, aber nett. Ich glaube, hier und da mal Geffens israelischen Hintergrund im englischen Gesang zu hören, allerdings stört (mich) das nicht. Auch hier tun sich wieder wunderbare Streicherflächen auf, nebst schönen Klaviermotiven, die den kompositorisch eher einfach gehaltenen Song aufwerten. Leider wird der Song beim Gitarrensolo ausgeblendet und endet damit irgendwie zu früh.

Christianings hätte auch auf Lightbulb Sun erscheinen können. Es ist der erste Song, den ich langweilig finde. Sein Refrain nimmt mich nicht mit und die Strophe dängelt immer auf den gleichen zwei, drei Akkorden rum. Die Fills des Drummers Tomer Z klingen hier und da mal etwas nach Gavin Harrison, auch wenn sie dessen Ausgeklügeltheit vermissen lassen.

This Killer überzeugt durch depressive Stimmung und altbekannte Satzgesänge. Im Satz gefiel mir Wilsons Stimme zu Porcupine Tree Zeiten eigentlich immer am besten. Auch dieser Song hätte auf Lightbulb mit Leichtigkeit seinen Platz finden können, obwohl er von Aviv Geffen stammt. Interessant ist, dass das Lied hin und wieder mal eine Weile im 7/8 dahinschwimmt und man es nicht bemerkt, da das Gitarrenkick sehr konventionell ist. Auch hier wieder: ein schöner Song, aber keine große Leistung.

Epidemic bringt wieder etwas Drive in die Bude und überrascht durch die Verwendung von Mixolydisch b13 Material in der Ostinatofigur der Strophe. Man ist überrascht, dass der Gesang dann auf Dur herumreitet. Der Refrain ist dann schön und der Groove kernig. Es gibt vereinzelt etwas härtere Gitarren und Weltuntergangsstimmung. Interessant.

Mit My Gift Of Silence wird es dann wieder traurig, einsam, verlassen. Das kann er eben, der Steven. Die Musik klingt allein. Strophe und Refrain sind wunderschön, wenn auch schmerzhaft simpel. Trotzdem gefällt mir der Song sehr gut, da mich die Melodien und der Text mitnehmen. Arrangiert ist er mal wieder perfekt mit Mellotron, Streichern und gut gesetzten Satzgesängen. Das Schlagzeug spielt unkonventionellerweise einen ziemlich gebrochenen Rhythmus, was die labile Stimmung etwas verstärkt. Ich würde My Gift Of Silence zum zweitbesten Song des Albums ernennen.

Some Day ist abermals depressiv. Die Strophe überrascht durch unvorhergesehene Akkordwendungen, während man den Refrain auch mit einem Um-Za-Um-Za House Beat unterlegen könnte, ohne, dass es deplatziert wirken würde. Stattdessen haben wir erneut einen etwas gebrochenen Beat, der dann zum besten Teil des Liedes, der eigentlich den Charakter einer  Bridge hat, aufbricht und gerade und breit wird. Ein gelungener Moment. Leider wird an dieser Stelle ausgeblendet. Sehr schade.

Where Is My Love ist gerade im Refrain simpelster American Pie Pop. Der Protagonist sitzt alleine irgendwo auf dem Steg, nachdem er es mit seiner Blondie verkackt hat. Die Strophe ist dagegen besser geraten. In der Bridge entschließt sich der Protagonist dann, zu seinem Mädel zu rennen und sich zu entschuldigen. Der Song wird allenfalls durch seine schöne Instrumentierung gerettet. Hätte man sich sparen können.

End Of The World ist dann wieder schön, weil nicht ganz so auf Radio getrimmt. Der Song verbreitet gar nicht so apokalyptische Stimmung wie sein Name implizieren mag. Es ist eher ein Abschiedslied. Die Bridge ist im Prinzip eine aggressiver gespielte Strophe und wirkt als solche. Das Lied steigert sich bis zu letzten bombastischen Refrain und klingt mit dem Intro wieder aus. Unspektakulär, aber okay. 

 

Und so verhält es sich mit dem ganzen Album. Spektakuläres sucht man hier vergebens. Die Musik ist nett, tut nicht weh, beeindruckt aber auch nicht. Und es ist nicht so, dass nur komplexe Musik beeindrucken kann; ich habe schon Pop gehört, der mich aus den Socken gehauen hat. Auch Steven hat mit Songs wie Trains, Harmonie Korine oder Hand. Cannot. Erase. gezeigt, dass er saugute Popsongs schreiben kann.

Nun kenne ich weder den Erstling, noch was danach kam, weshalb mir auch ein Vergleich mit anderen Werken der Band fehlt. Aber Blackfield II kann man zwei, drei mal hören und wird es erfasst haben. Das zeugt für mich nicht von großem musikalischen oder emotionalen Gehalt. Der beste Song steht am Anfang, und dieser ist für mich auch immer noch super. Danach geht Stück für Stück die Luft raus. Die Musik ist nicht schlecht gemacht, auch nicht schlecht komponiert, sie ist  nur einfach nichts besonderes. Was Geffen jetzt ohne Wilson bei Blackfield macht, ist mir ein Rätsel (könnte auch gleich ein Soloact sein, da er ja alles schreibt), genauso, wie es mir eigentlich egal ist. Wilson jedenfalls, kann es viel besser als er hier zeigt. Und damit lege ich jetzt mal wieder The Raven auf.

 

Bewertung:

Once 12

 

Vergleichbar mit:

Steven Wilson goes Pop, Lightbulb Sun

 
 
 
 
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