King Crimson - Red (1974)

11.05.2013 16:45

Veröffentlichung: 1974

Genre/ Stil: Progressive Rock

 

Besetzung:

Robert Fripp - Gitarre

John Wetton - Bass, Gesang

Bill Bruford - Schlagzeug

 

Titelliste:

1. Red

2. Fallen Angel

3. One More Red Nightmare

4. Providence

5. Starless

 

"Breathless"

Red nimmt mir den Atem. Jedes King Crimson Album ist ja auf seine Art und Weise einzigartig, genial, aber auch meistens unzugänglich und gewöhnungsbedürftig, als würde man Nudeln mit Vanille paaren. Red ist da nur eins von vielen Beispielen, wobei dieses Album das vielleicht zugänglichste aus der King Crimson Discographie ist.. Was bei denen aber nicht viel heißen soll ;) Schon die ersten Töne krachen für King Crimson Verhältnisse recht heavy und rockig drauf los. Im ersten Moment kommt einem das ungewöhnlich vor. Doch was ist für King Crimson eigentlich ungewöhnlich? So gut wie jede beliebige Musikrichtung hat Fripp durch die Mangel genommen, die Hälfte der hochkarätigen Musiker der 70er hatte er schon im Boot, um sie nach einer Aufnahme (maximal zwei) wieder rauszuschmeißen. So finden sich hier John Wetton am Bass und Mikrophon und den genialen Bill Bruford, den ich heute noch bei Yes vermisse. Dazu haben wir noch Mel Collins am Sax, bekannt von Uriah Heep, Dire Straits, Peter Gabriel und einem Monsterhaufen anderer Bands.
Mit diesen Musikern nimmt Fripp ein Album auf, dem es an nichts fehlt. Tatsächlich ist es eigentlich das Album, das dem Prog, wie man ihn in den 70ern mit Bands wie Genesis, Yes, UK oder VdGG definierte, am nächsten kommt. Man setzt vor allem auf Sparsamkeit, was schon mit der 3er- (manchmal 4er-) Besetzung anfängt. Alle Jazz Einflüsse, alle zu ausufernden Improvisationen, alle minutenlangen Klangteppiche hat man zurückgefahren (zurückgefahren, nicht weggelassen!) und stattdessen konzentriert man sich ein wenig mehr auf Eingängigkeit und das berühmte 'Auf-den-Punkt-kommen'.

Auf den Punkt kommt auch gleich der Eröffnungs- und Titeltrack. Wie schon erwähnt knallt der gleich richtig drauf los. Man befindet sich sofort mittendrin in einem von Riffs bestimmten Instrumental, das einem erstmal die Gehörgänge freibläst. Für mich handelt es sich hier vielleicht um keine Sternstunde der King Crimson'schen Musik, aber was heißt das bei der Band schon.. Trotzdem ein toller Song und noch dazu ein toller Opener.
Weiter aufwärts geht's dann schon bei Fallen Angel. In Ansätzen eine Ballade, aber Dramatik, der Drive verhindert die Mutation zu einer solchen dann schon wieder. Im Chorus kommt eine schöne Trompete zum Einsatz. Fripp hatte schon immer das Talent, Blasinstrumente passend einzusetzen. Eine Menge Energie steckt in dem Song, und einen Refrain mit Ohrwurmcharakter hat er auch. Und das, ohne auch nur im Geringsten in poppige oder gar belanglose Gefilde abzudriften. Das nenne ich große Kunst.
Im perfekten Kontrast steht dann der Rocker One More Red Nightmare, schon wieder eher mehr an den Opener erinnernd. Bruford zaubert auf diversen China-, Ride- und Crash-Becken ein grooviges Fundament, darüber werden bratzige Gitarrenchords gelegt. Dann fängt Wetton an zu singen, über einen lustigen, halb verzerrten Klatsch-Effekt. Dieser kehrt dann auch wieder im Soloteil des Songs. Dieser gibt sich aber eher zurückhaltend (trotzdem aber nicht ruhig, sondern mit einer Menge Groove). Hier bekommt man auch wieder ein schönes Saxofon zu hören.
Skurril wird's mit dem nächsten 'Song'.. eigentlich kein Song, sondern eine freie Improvisation, wie man sie von King Crimson schon kennt (Moonchild, The Devil's Triangle). Auch das kann man wieder entweder als freies, impressionistisches Klanggemälde oder eben als uninspiriertes Gedudel ansehen. In meinem Falle ist das stark stimmungsabhängig. Sehr geil finde ich aber den Kontrast zwischen diesem und dem nächsten Lied. Recht unerwartet hört Providence einfach auf und wenige Momente später beginnt das absolut grandiose Starless, das für mich beste Lied von King Crimson und eins der großen Meisterwerke der 70er. Hier wird mit Musik gemalt, wie ich es vorher noch nie gehört habe.
Aus dem Nichts kommt ein vom Winde verwehtes Mellotron, wie eine Sorge, ein Trauer. Eine wimmernde Gitarre verstärkt das. Doch die Gitarre kreischt nicht, sondern weint leise ins Kopfkissen. Die mit wunderschönen Worten ausgedrückten Gedanken des Protagonisten werden ruhig von Wetton vorgetragen, umspielt von Collins' Saxofon, das klingt, als wolle es trösten und auf andere Gedanken bringen. Zwischenzeitlich erscheint ein Cello, das dem Protagonisten klagend auf die Schulter klopft.
Doch dann kommt ein Wechsel. Es klingt wie.. Der Protagonist steht verängstigt in der Dunkelheit. Plötzlich hört er ein Geräusch. Er blickt sich um, doch findet nichts. Die Angst, hervorragend von Fripps Gitarre dargestellt (er spielt in seinem über 5 Minuten dauernden 'Solo' ganze 10 (!) Töne, immer auf verschiedenen Saiten, und erzeugt dadurch eine beeindruckende Spannung) steigert sich, zusammen mit den Dingen, die der Protagonist um sich zu sehen und hören scheint. Die werden dargestellt durch Brufords geniale Klangkonstruktion auf allerlei Perkussionsinstrumenten (hier ist es die Kunst, auf das Rhythmusfundament zu achten und explizit nicht auf Fripps Gitarre). Wettons Bass ist das Schicksal, das auf den Protagonisten zukommt, welches auch immer. All das steigert sich nahezu bis zum absoluten Wahnsinn. Fripps gnadenlose Gitarre bohrt sich durch die Gehörgänge. Schließlich wird dem Protagonisten alles zu bunt und er beschließt, vor alledem wegzurennen, illustriert durch ein plötzlich ausbrechendes, hektisches Saxofon-Solo (Vergleich: VdGG).
Er bleibt stehen und erinnert sich. Die Anfangs-Melodie erscheint erneut. Doch die Angst besiegt ihn und er rennt wieder. Und er rennt in die Arme seiner Freunde und Familie und beruhigt sich. Schlussendelich wird alles gut. Das zum Thema 'mit Musik malen'.
Der Schluss ist wirklich ganz großes Kino. Das Grundthema, gespielt vom Saxofon, wird hier unterstützt von dem wehenden Mellotron und einem Rhythmusfundament, das einen aus den Schuhen pustet. Bruford pocht auf seine Felle und Wetton foltert seine Saiten. Selten habe ich einen derart kraftvollen, hämmernden, kraftvollen Bass-Part gehört. Genial.
Starless in sich ist sicherlich eins der großen Meisterwerke der modernen Musikgeschichte und zweifelsohne Fripps beste Komposition. In 12 Minuten wird eine derartige Spannung gepackt und mit Tönen gemalt, wie ich es noch nie gehört habe. Unglaublich.

Schon allein wegen Starless, lohnt es sich, Red zu besitzen. Doch auch die anderen Songs brauchen sich hinter diesem Monumentalmeisterwerk nicht zu verstecken. Das Album überzeugt durch weniger als mehr und ist dadurch auch leichter zugängig als manch anderes Crimson-Album. Großer Sport, große Empfehlung.

 

Bewertung: 

Vergleichbar mit: 

Crimso ist nie mit irgendwas zu vergleichen, nicht mal mit sich selbst.

 
 
 
 
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