Marillion - Marbles (2004)

11.05.2013 16:50

Veröffentlichung: 2004

Genre/ Stil: ArtPop, Rock, Neo-Prog, New-Prog

 

Besetzung:

H - Gesang

Pete Trevawas - Bass

Steve Rothery - Gitarre

Ian Mosley - Schlagzeug

Mark Kelly - Keyboards

 

Mit Marbles schicken uns Marillion auf eine 100 minütige Reise, in einen Traum, eine Trance, einen langen Moment der Nostalgie, von was auch immer. Es bringt zum Nachdenken, zum Schweigen, zum Weinen. Es birgt wunderbare Melodien, bewegende Texte, hervorragende musikalische und vor allem gesangliche Leistungen ' und überzeugt außerdem noch durch einen durchdachten und perfekten Aufbau. Mit einem Höhepunkt beginnend (Invisible Man) wird es durch vier kleine Liedchen (Marbles I-IV) zusammengehalten und wirkt dadurch schlüssig und konzeptuell. Drei Höhepunkte werden perfekt am Anfang, in der Mitte und am Ende der Platte platziert ' zumal es sich hier um drei der besten Marillion-Songs überhaupt handelt.

Das Album beginnt mit dem unglaublichen Invisible Man. Düster, düster. Dieses Lied ist eigentlich kein Lied, sondern 5 Lieder, die ohne großen Zusammenhang aneinander gereiht sind. Das hört man oft im Progbereich, nur hier gibt es einen Unterschied. Die Teile verbindet eine Grundstimmung; eine einzigartige. Lange Songs sollten einen roten Faden haben, dieser hat keinen - braucht es aber auch nicht.
Sehr ruhig und spannend beginnt Invisible Man, während Hogarths intensiver, eindringlicher Gesang beginnt. Kurz darauf geht es fließend über in einen völlig anderen Teil, der trotzdem genau an der richtigen Stelle wirkt. Das ganze Lied schleicht vor sich dahin, ruhig, düster und mit einer ungeheuren Spannung. Doch bald kommt es zu dem ersten der beiden Höhepunkte. Wieder in einem völlig anderen Teil, zeigt Hogarth, was er stimmlich drauf hat. Schon wegen dieser Stelle sollte dieser Mann mit Grammys überhäuft werden. Was für ein Sänger, ein Genie! Mit einem mal befinden wir uns im nächsten Teil, ruhig, besinnlich, sich steigernd zum zweiten Höhepunkt und Finale. Noch einmal zeigt H was er drauf hat - man bekommt Gänsehaut, Tränen in den Augen. Zum Schluss kommt das Stück noch einmal richtig auf den Punkt, bevor es mit einem Knall abrupt endet. Genial, einfach nur genial.
Genie ist ein Lied, das man auch im Radio hätte bringen können. Typisch Marillion, eingängig, aber nicht doof, im Mittelteil outen sich die Marillion als Beatles-Fans. Nett, aber nicht essentiell.
Fantastic Place geht in eine ähnliche Richtung, ist aber von den Harmonien melancholischer, weniger poppig, und einfach schöner. Balladen waren schon immer eine Stärke der Band. Ein wunderbares, kurzweiliges Stück Musik.
Das nächste Stück, The Only Unforgivable Thing, ist noch ruhiger, aber weniger balladesk. Es überzeugt durch einen großartigen Spannungsaufbau und einen brührenden Text. Erneut von purer Schönheit; ein Lied zum Träumen.
Als Abschluss der ersten CD steht der zweite Höhepunkt des Albums und für mich das beste Lied von Marillion überhaupt: Ocean Cloud. In diesem Lied steckt alles, was man an der Band schätzt. Voller Schmerz, Trauer, jeder Art von Gefühlen singt, flüstert, schreit, erzählt Hogarth die zum Weinen schönen Lyrics dieses Meisterwerks und bohrt damit direkt durch die Herzen seiner Hörer. Unterstützt wird er dabei durch ein düsteres, aber elegantes Klanggewand aus epischen Gitarrensoli, dramatischen Ausbrüchen, atmosphärischen Keyboardpassagen und einem (hier tatsächlich vorhandenen) perfekten roten Faden. Der Spannungsbogen senkt und hebt sich, langweilig wird es nie, sondern bleibt immer spannend und nie zu überladen. Grandios.
Mit den nächsten Songs schrauben Marillion die Spannung erwartungsgemäß wieder etwas herunter. Klar- mehr geht ja auch nicht.
The Damage, Don't Hurt Yourself und You're gone sind erneut Art-Pop Songs allererste Güte. Poppig, aber nicht doof. Dennoch würde ich diese drei Songs, speziell Don't Hurt Yourself, neben Genie, als die schwächsten des Albums bezeichnen. Was aber nicht allzu viel heißt.
Angelina erinnert mich ein wenig an Peter Gabriel, tatsächlich findet sich hier ein schönes Gesangsduett einer Frau mit H. Das Stück ist sehr ruhig gehalten, wird aber trotz seiner fast 8 Minuten länge nie langweilig. Es ist sehr geschmackvoll und sparsam instrumentiert, mit dezenter Percussion und einer hübsch perlenden Gitarre.
Im Kontrast dazu kommt bei Drilling Holes wieder ein wenig Tempo auf. Aber auch hier finden sich die typischen Marillion-Refrains wieder. Ruhig, bezaubernd. Plötzlich erklingt ein Cembalo, witzig, barock. Auch die leichten Streicher sind sehr gut eingesetzt. Lustig sind auch die scheinbar durchgehenden Vogelgezwitscher-Effekte.
Bei diesen Liedern haben Marillion den Ball wieder ein wenig flacher gehalten, doch zum Schluss zeigen Marillion noch ein weiteres mal, was in ihnen steckt. Neverland ist ein weiteres Kunstwerk, in Düsternis und Gefühl getaucht, driftet aber in keinster Weise in Belanglosigkeit oder gar Kitsch ab. Marillion haben es einfach drauf, ihre Hörer zu verzaubern. Es beginnt als normale Ballade, entwickelt sich dann aber, sich stetig steigernd, zu einem absoluten Kracher im Low-Tempo Bereich mit einer Gitarre zum Dahinschmelzen, (mal wieder) einem Hogarth zum Niederknien. Auch dieses Lied kann durch einen perfekten Spannungsbogen überzeugen und endet in einem Duell zwischen Gesang und Gitarre recht melancholisch und leicht bombastisch. Auch hier wieder: grandios.

Danach wird der Hörer in die Welt rausgelassen, mit dem Kopf voller Impressionen eines grandiosen Albums und mit Gedanken, über die zum dahinfließen schönen Texte- dieses Album verzaubert von vorn bis hinten! Höhepunkte sind natürlich die drei längeren Songs, die einen in eine Reise in sich selbst schicken. In dieser Form können das wirklich nur Marillion. Ich wage mal zu sagen, dass sie in Sachen Intensität, Minimalismus und Gefühl Pink Floyd noch um Nuancen übertreffen. Überhaupt hört man hier viele Pink Floyd Einflüsse; Songs wie Ocean Cloud und Neverland haben alles, was Pink Floyd Songs auch haben (die Gitarre, die Keyboardteppiche, Soundeffekte, eine Menge Atmosphäre..), aber sie klingen trotzdem unverkennbar nach Marillion und eben *nicht* nach Pink Floyd.
Also: Wenn es ein Marillion Album gibt, das ich uneingeschränkt empfehlen würde, dann ist es ohne Zweifel dieses.

 

Bewertung: 

Vergleichbar mit: 

In der Atmosphäre U2, Muse, Porcupine Tree- nur wesentlich ruhiger. Von den Zutaten wie gesagt in Ansätzen mit Pink Floyd.

 
 
 
 

 

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