Neal Morse - Momentum (2012)

11.05.2013 17:49

Veröffentlichung: 2012

Genre/ Stil: Retro-Progressive Rock

 

Besetzung:

Neal Morse - Gesang, GItarre, Keyboards

Randy George - Bass

Mike Portnoy - Drums

Paul Gilbert - Gitarre

Rick Altizer – Gesang

Eric Gillette – Gesang

Bill Hubauer - Klarinette, Gitarre, Keyboards

Wil Morse – Gesang

Adson Sodré – Gitarre

 

Titelliste:

1. Momentum

2. Thoughts Pt. 5

3. Smoke & Mirrors

4. Weathering Sky

5. Freak

6. World Without End

    I. Introduction

    II. Never Pass Away

    III. Losing Your Soul

    IV. The Mystery

    V. Some Kind Of Yesterday

    VI. Never Pass Away (Reprise)

 

Eines Abends saß Neal Morse bei sich zu Hause vor dem Fernseher. Es lief eine Sendung, deren Inhalt und Bedeutung völlig egal ist. Was nicht egal ist, in dieser Sendung war von irgendeinem „Momentum“ die Rede und von „you better keep on going“. Das war die Geburtststunde des neuen Neal Morse Albums, denn natürlich sah Neal in dieser Aussage eine Nachricht Gottes. Man darf davon halten was man will. Er hat einfach ferngesehen und hat sich von irgendeiner Sendung zu einem neuen Album inspirieren lassen. Wo findet man das schon, außer bei Neal Morse? Nun, wie schön, dass diese Sendung gerade lief, denn die neue Morse ist stellenweise durchaus hörenswert. Er hatte gerade drei Wochen Luft und rief schnell Mike und Randy und ein paar Kumpels aus der Nachbarschaft an, um das neue Album aufzunehmen. Doch halt- er hatte ja noch gar kein Album geschrieben! Aber siehe da, einen Monat später hatte er eins. Neal Morse ist schon ein Freak. Er singt es selbst auf diesem Album.

Es wurde bereits im Voraus ein unsägliches, unfreiwillig komisches Musikvideo zu einer Single Edit des Titeltracks veröffentlicht. Ich weiß nicht ob dieses ernst gemeint war, aber lustig war es durchaus. Sollte man einfach nicht so ernst nehmen. Ein Song in Richtung Absolute Beginner, ein absolut unspektakulärer Rocker. Nur so viel: Vergesst diese Single Edit, sie verkörpert den Charakter des Albums genau so wenig wie den des eigentlichen Liedes selbst. Die originale Version beinhaltet viel mehr; Morse hat für die Edit im Prinzip alles Interessante an dem Song geschnitten. So geht er meiner Ansicht nach mehr in Richtung Day For Night, also immer noch ein Rocker, allerdings mit interessanten Wechseln, einfach cool gemacht. Ein Übersong ist er immer noch nicht, aber er fetzt.
Ganz anders dagegen Thoughts Pt. 5. Dieser Song hält was sein verspricht. Wer die ersten beiden Teile kennt, weiß was das bedeutet. (Morse übrigens hat den eigentlichen Part 3 einfach Part 5 genannt, „just to be weird“.) Progressive Rock im „uneigentlichen Wortsinne“: Taktwechsel, ultracooles Riffing, Satzgesang wie bei den sanften Riesen in den 70ern, Humor und am Ende einen ziemlich coolen Soloteil. Einer von Morses besten einzelnen Songs unter 10 Minuten der letzten Jahre. Sehr cool.
Neal scheint in letzter Zeit mal wieder viel 70er Jahre Mucke gehört zu haben. Denn nach der Gentle Giant Anlehnung kommt jetzt eine Kansas Ballade. Smoke & Mirrors (ob der Name Zufall ist oder ob er den von Symphony X geliehen hat?) ist traurig, langsam, mit Konzertgitarre und eigentlich so gar nicht wie die letzten Morse Schmalzballaden. Aber am Ende ist es auch egal, dann klaut er eben dieses mal nicht bei sich selbst sondern bei Kerry Livgren.
Weathering Sky erinnert mich dann schon wieder extrem an Morse, und zwar speziell an Mystery Train, nur eben ohne die Beatles Einflüsse. Straight, rockig, okay, nicht mehr.
Freak daraufhin ist der Tiefpunkt. Ich weiß nicht was sich Morse dabei gedacht hat, das geht echt gar nicht. „I might be Jesus“, alles klar ;) Lass uns mit so was in Ruhe Neal, das kannst du auf deinen Worship Alben machen.
Egal, was an diesem Album wirklich essentiell ist, ist neben Thoughts der Longtrack, der wirklich alle Morse-Stärken in geballter Form beinhaltet. Es geht los mit dem Grundthema, und man weiß schon was einen erwartet: Erstens, dass dieses Thema am Ende zum großen Finale höchstwarscheinlich durch alle Tonarten und Modulationen gehetzt wird, und zweitens, eine wahnsinns Overtüre, und diese ist ihm wirklich gelungen. Das ganze klingt sehr transatlantisch, nicht zuletzt wegen Mike Portnoys grandiosem Schlagzeugspiel und der stärkeren Besinnung auf rockigere Elemente und Grooves als beispielsweise bei So Many Roads. Nach der 6 (!) Minuten Overtüre folgt mit Never Pass Away eine Art weiteres Leitthema, das am Ende noch einmal auftaucht, allerdings stark abgewandelt. Dieses erinnert etwas an Duel With The Devil, mich zumindest. Bemerkenswert bei diesem Longtrack ist, dass er keinen allzu zusammengestückelten Charakter hat wie manch anderer Neal Morse Longtrack. Um den roten Faden fortzuführen, setzt Morse nach Never Pass Away noch einmal das Grundthema dran, bevor es in einen weiteren Zeppelin-artigen Teil geht, an Lay Down Your Life erinnernd. Portnoy gibt auch hier teilweise wieder einen astreinen Bonham. Nach einem Part, der abermals an Duel With The Devil erinnert (Transatlantic ist hier wirklich nicht weit) geht es dann in einen abgefahrenen Soloteil. Im folgenden Verlauf finden sich neben einer schönen eingeschobenen Ballade noch weitere Instrumentalachterbahnfahrten und der so ziemlich bombastischste Moment in Morses bisheriger Geschichte; und das will was heißen. Orchester und episches Portnoy Schlagzeug, einfach nur geil. Schön am Ende ist auch, dass das am Anfang vorgestellte Grundthema nicht bis zum Erbrechen totgewalzt wird, sondern auf ein paar Modulationen und Tonartwechsel beschränkt wird. Wenn jemand Morses Musik kennenlernen will, muss er diesen Song hören. Grandios.

Insgesamt haben wir (natürlich) einen klassischen Morse vor uns, nicht der beste, aber auch nicht der schlechteste. Dem Longtrack und Thoughts würde ich um die 13 Punkte geben, der Rest fällt drunter. Ich sehe Momentum als typisches 10 Punkte Album, nicht überragend, aber durchaus gut. Man denkt zwar beim Hören immer mal wieder an ein paar andere Songs aus Neals Feder, aber das sollte jeder Morse-Fan mittlerweile begriffen und akzeptiert haben. Mit Flying Colors kam ja letztes Jahr immerhin schon etwas anderes.

Natürlich kann man sich auf Morse mittlerweile blind verlassen, denn seine Alben werden qualitativ immer gut sein, wenn auch immer gleich. Ich finde das gut, da ich von Morses Musik einfach nicht genug kriegen kann. Abswechlung finde ich bei Beardfish oder Pain Of Salvation. Und von einem, der sich von einer Fernsehserie zu einem neuen Album inspirieren lässt und es ein paar Monate danach gleich veröffentlicht, kann man wohl noch einige Alben erwarten. Wer das nicht mag, kann es lassen, denn auf Neal Morses Soloalben wird nie andere Musik sein.
Neal Morse ist schon ein Freak...

 

Bewertung: 

Vergleichbar mit: 

Morse selbst natürlich. Stellenweise Kansas.

 
 
 
 

Mehr von Neal Morse:

Neal Morse - Testimony II (2011)

 

Transatlantic - The Whirlwind (2009)

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