Pat Metheny - Secret Story (1992)

11.05.2013 17:29

Veröffentlichung: 1992

Genre/ Stil: Jazz, Fusion, Pop, ArtPop, Instrumental, Weltmusik/ Ethno, 

 

Besetzung:

Pat Metheny Group

Pinpeat Orchestra

Lond Symphony Orchestra

Toots Thielemans - Harmonica

Pat Metheny - Gitarre

 

Über den Baumkronen fliegen die Töne dieses Werkes. Was wir hier vor uns haben ist nichts geringeres als die Vertonung des Lebens selbst, die Verkörperung eines jeden Gefühls, den Soundtrack zu einer Weltreise. Mal fühlt man sich auf der Route 66, dann findet man sich zwischen tanzenden und singenden Afrikanern wieder, schläft an einem heißen Sommerabend im freien ein, um mit Herzschmerz wieder aufzuwachen und im nächsten Moment vor Freude hin- und herzuspringen. Secret Story entfernt sich recht weit von den ursprünglichen Wurzeln des Pat Metheny, von dem man im Forgeschrittenenkurs der Jazz-Geschichte lernt. Doch was ist eigentlich Pat Metheny‘s Urstil, was ist für ihn schon ,normal‘? Irgendwie kann er wohl doch so ziemlich alles. Vom sogenannten „Traditional Jazz“ hört man hier eher wenig. Eher scheint sich Pat in allen anderen Richtungen austoben zu wollen, und schafft damit ein Meisterwerk.
Diese Ideenlandschaft, die Vielfalt an musikalischen Einfällen lässt wohl extrem viele Interpretationsmöglichkeiten zu. Hier ist meine.

Man macht eine Tür auf und befindet sich in einer anderen Welt. Leichte Percussion, Soundteppich und ferne Gesänge und eine darüber schwebende Konzertgitarre. Above The Treetops, irgendwo zwischen Intro und eigenständigem Song, ist eine perfekte Einstimmung in diese Reise. Man macht sich auf, um mit dem Auto die endlosen Landstraßen durch die weiten Landschaften Westamerikas zu erkunden. Eine typische Pat Metheny Melodie, nebst einem typischen Solo, einfach wirkend, aber in Wirklichkeit komplex. Sehr poppig das ganze. Einige Passagen hätten im Ansatz von den frühen Coldplay stammen können, ohne dass diese damals überhaupt existierten. Nach einigen Minuten finden wir uns vor einem riesigen Monument wieder, wie einer Kathedrale in einem Koffer. Weite Landschaften werden durch Streicher und mächtige Percussion verkörpert. Im nächsten Moment ist man auf einmal umringt von Dutzenden tanzenden Afrikanern. Man singt und musiziert. Das ganze strahlt eine unheimliche Energie aus. Und das im 7/8. Nach einigen filmmusikalisch angehauchten Orchesterclustern, die Unsicherheit und Zweifel ausstrahlen, setzt auf einmal ein tierisch cooler Klaviergroove ein, über den wiederholt ferne Gesänge und Methenys Gitarre schweben. Irgendwann schläft man inmitten dieser Meute ein und findet sich wieder, in The Longest Summer, ein herrlich atmosphärisches Stück, sehr gefühlvoll- und zum ersten mal auf dem Album erklingt der berühmte Gitarrensynthesizer. Doch als wäre dieser Song nur ein Traum gewesen, erwacht man ins Sonnenlicht, in Sunlight, das wohl poppigste Stück des Werkes, die pure Freude. Ein sehr offener Moment, gefolgt vom subtilen Rain River. Dieses Stück fließt in der Tat wie ein Fluss, ausgelöst durch die federleichte Besenbegleitung, die Streicher und die Gitarrenarpeggien im Hintergrund. Darüber schwebt ein Thema, das fast wie eine Begleitung klingt, nicht zuletzt wegen des extrem ungewöhnlichen Gitarrensounds. In ein weiteres typisches Metheny Solo schiebt sich eine kurze Andeutung abgewandter Bach Harmonik, bevor sich das Stück irgendwann wie ein Zug irgendwohin verflüchtigt und im nichts verschwindet. Der Protagonist findet sich auf einmal allein im Nirgends und sieht sich um. Nichts. Er denkt nach und sieht sein Leben an sich vorbeiziehen, er reaktiviert jeden erlebten Moment. Always & Forever ist wohl das emotionalste Lied von Secret Story, es ist seinen Eltern gewidmet. Ein tolles Stück Musik.
Schließlich findet der Protagonist den Anschluss wieder und sieht die Welt. Es folgt ein schnelleres Stück, das wohl am meisten an den klassischen Jazz erinnernde Stück des Albums, nicht unbedingt deswegen aber auch das Stück was mir persönlich am wenigsten zusagt. In den folgenden Liedern findet der Protagonist zu Liebe. Ihr Name sei Antonia, und sie wird beschrieben durch die wunderbar gefühlvolle und intelligente Melodie im gleichnamigen Lied. Man kann sie vor einem stehen sehen, und man kann jedes Gefühl nachvollziehen, das der Protagonist verspürt. Antonia ist wohl ein südländisches Mädchen, das so schnell in sein Leben kam, wie es danach wieder verschwindet. Eins der schönsten Lieder der Albums, und wohl mein meistgehörtestes. Einmal mehr beweist Pat Mehteny sein Talent für einfach wirkende Melodien, die in Wirklichkeit aber hochkomplex sind (versucht das Grundthema von Antonia mal einfach so auf der Gitarre nachzuzupfen). In The Truth Will Always Be fliegt noch einmal das gesamte Leben an einem vorbei, mit allen Höhen und Tiefen. Erst ein Marsch, dann ein schwer Schlagzeugrhythmus, darüber Streicher und Percussion. Pats Gitarrensynthesizer bohrt sich einem ins Gehör. Das ganze steigert sich zum Exzess. Und bevor alle Hoffnung zu verloren sein scheint, kommt noch einmal die Liebe. Tell Her You Saw Me. Ein Orchesterstück mit Pats typischer Gitarre darüber. Ein Moment zum träumen. So endet das Werk letztendlich auch. Anfangs hat es mich verwirrt, dass zwei Orchesterstücke am Ende des Albums stehen, doch mittlerweile macht es Sinn. Our Final Hour endet unbestimmt, als sollte man sich den weiteren Weg selbst denken oder als ob es eine Fortsetzung gäbe.
Wirkt Secret Story anfangs noch sehr fröhlich (Facing West, Sunlight), schlägt diese Stimmung mit der Zeit um in Nachdenklichkeit (Rain River) und teilweise tiefste Melancholie (Always & Forever). Nichtsdestotrotz verarbeitet Pat Metheny in Secret Story jedes Gefühl von Freude, Fröhlichkeit, Trauer, Depression bis hin zu Überschwänglichkeit und Liebe. Demzufolge haben wir hier nichts weiter vor uns als die Vertonung des Lebens selbst. Hier findet man eine riesige Vielfalt an Lebenssituationen wieder.
Ob man das Teil nun beim Autofahren in der Sonne mit Brille auf der Nase, in einer Liebeskrise allein in seinem Zimmer oder einfach nur nebenbei hört, ist völlig egal- es passt immer.

 

Bewertung: 

Vergleichbar mit: 

Metheny klingt immer nach sich selbst; hier auch nach Weltmusik, Filmmusik, ein bisschen nach Peter Gabriel in den 90ern.

 
 
 
 

 

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