Queensrÿche - Operation Mindcrime (1988)

13.06.2014 16:56

 

Veröffentlichung: 1988

Genre/ Stil: Hard Rock

 

Besetzung:

Geoff Tate - Gesang, Keyboard

Chris DeGarmo - Gitarre

Michael Wilton - Gitarre

Eddie Jackson - Bass

Scott Rockenfield - Schlagzeug

 

Trackliste:

1. I Remember Now

2. Anarchy-X3

3. Revolution Calling

4. Operation Mindcrime

5. Speak

6. Spreading The Disease

7. The Mission

8. Suite Sister Mary

9. The Needle Lies

10. Electric Requiem

11. Breaking The Silence

12. I Don't Believe In Love

13. Waiting For 2214

14. My Empty Room

15. Eyes Of A Stranger

 
 
Ganz ehrlich.. Würde ich mir eine Best-Of Queensryche Liste zusammenstellen, so würde diese wahrscheinlich auf eine einzige CD passen. Da kommen Silent Lucidity, beide Someone Else Versionen, Bridge (für mich das beste Lied von Promised Land - mein voller Ernst), Get Started (weil es so hübsch rockt), Queen of The Reich, und natürlich auch ein paar Songs von Mindcrime drauf. Da kommt man auf weniger als eine Stunde. Bei Dream Theater werden es vielleicht 11 Stunden. Ganz recht, ich schlachte hier jetzt mal heilige Kühe.

Was wurde dieses Album in den Himmel gelobt. Geniales Meisterwerk, das erste Progmetal Album.. Das ist doch alles totaler Quatsch. Es gibt eine Reihe Metallica Songs, die rhythmisch mehr zu bieten haben als die meisten auf Operation Mindcrime. Und (auch wenn ich dafür wohl ein paar Drohbriefe bekomme) einiges hier hätte problemlos auch von Bon Jovi oder Aerosmith kommen können, die sich zu dieser Zeit musikalisch garnicht mal so weit davon entfernt bewegten. Die Soundeffekt- und Sprachfetzenideen sind stellenweise schamlos von Pink Floyd‘s The Wall geklaut, genau wie auch ein paar musikalische Ideen. Die Songs hängen größtenteils nur textlich zusammen; es gibt kaum musikalische Brücken. Viel mehr wurden sie „nur“ aneinandergereiht und, wie ich schon erwähnte, in typischer Wall-Manier durch Soundeffekte miteinander verbunden.
Nun kann man natürlich ein „Prog“-Album nicht einfach an schiefen Taktarten und Soundeffekten festmachen. Progressiv im ursprünglichen Wortsinne sind heute (und seit vielleicht 20 Jahren schon) ungefähr 98% der Alben, die mit dem Etikett „Progressive Rock“ gekennzeichnet sind, schon lang nicht mehr. Aber selbst, wenn es mir hier darum ginge- was bitte soll auch an Operation: Mindcrime großartig neu sein.

Okay, ich will nicht allzu vernichtend sein; die Platte hat auch ihre guten Seiten. Zunächst einmal ist für mich Geoff Tate der absolute Star dieser Platte. Sein Gesang ist der Wahnsinn. Was der Kerl hier stellenweise für Höhen erklimmt ist schon krass. Dazu ist seine Stimme einfach wie geschaffen für so eine Story. Sie ist cool, manchmal abschätzig, etwas kalt- zu jeder Zeit aber souverän und einfach geil.
Und wo wir schon bei der Story sind- die finde ich ziemlich interessant. Nur ganz kurz (man kann die echt überall genauer nachlesen): Es geht um einen drogenabhängigen und durch und durch kaputten Mann, Nikki, der im Auftrag von Dr. X, dem Anführer einer politischen Undergroundorganisation, Aufträge (meistens Morde) ausführt. Als Gegenleistung bekommt er sein nötiges Heroin. Zwei wichtige Charaktere sind noch ein korrupter Priester und eine Prostituierte namens Mary, die Nikki irgendwann dazu bringt, an seinen Taten zu zweifeln. Das checkt der Dr. X natürlich auch, woraufhin er Nikki befiehlt, den Priester und Mary zu töten. Als Nikki die Frau nicht töten kann und stattdessen mit ihr durchbrennen will, lässt Dr. X sie töten. Nikki wird jetzt wahnsinnig und weiß überhaupt nicht mehr was noch real ist. Er landet irgendwann im Krankenhaus und beginnt seine Story zu erzählen- womit wir wieder am Anfang wären (I Remember Now). Dass die Story im Prinzip im Kreis geschildert wird ist eine sehr coole Idee. Das gibt dem Album trotz fehlender musikalischer Brücken einen Rahmen und eine gewisse Geschlossenheit. Durch das Album zieht sich eine düstere Stimmung, zu der auch das Cover sehr gut passt.

Die Platte beginnt wie gesagt mit ein paar Gesprächen und Nikki, der im Krankenhaus rumliegt und sich erinnert. Anarchy-X ist dann von der Anlage her eine Art Overtüre. Da aber die Themen später nicht mehr auftauchen (schade) würde ich eher von einem Präludium sprechen. Es ist durchaus gelungen. Energiereich kracht es sofort los und klingt leicht triumphierend. Nahtlos geht es über zu Revolution Calling, dem für mich besten Song der Platte. Unglaublich, wie geil dieser Song pusht und groovt. Geoff Tate fängt an zu singen und ich packe wie gewohnt mein Luftmikro aus. Bereits im Prechorus erklimmt er Höhen, die einfach unfassbar sind. Der Refrain ist genial und treibend. Was soll man zu diesem Song noch groß sagen, er rockt fantastisch und muss live eine absolute Wucht sein.
Wie der nächste Song eingeleitet wird, ist dann echt geil. Ein Telefon klingelt, der Protagonist geht ran und man hört das Anfangsriff durch den Hörer, nebst einer tiefen Stimme, die „Mindcrime“ sagt. Er legt auf. Danach klingelt das Telefon wieder, worauf hin der Song losgeht. Der Titeltrack selbst ist keiner der ganz großen Sorte. Die Strophe ist zwar ultracool, aber generell ist der Track leider etwas schleppend und zündet zumindest bei mir nicht so ganz. Menschentrubel leitet dann über zu Speak, einem Up-Tempo Stück, das klare Metallica-Reminiszenzen beinhaltet. Nur ist der Song nicht so heavy. Hier finden sich ein paar coole Melodien nebst einem ziemlich guten Gitarrensolo wieder. Der im Prinzip zweiteilige Refrain ist sehr gelungen. Spreading The Disease schlägt eigentlich in die selbe Kerbe. Auch hier finden wir ein Up-Tempo Stück mit Metallica Riffs, und einem noch besser gelungenen Refrain. Der Übergang zu The Mission ist dann - obwohl eigentlich gelungen - beinahe eine Frechheit. Man hört ein Radio- oder Fernsehsprecher, Glocken, Herzschlagen (!), eine redende Stimme und eine ganz leise Keyboardfläche im Hintergrund. Mehr Pink Floyd geht fast nicht. Man denkt fast, jetzt käme ein versörender Cluster und die gesprochenen Worte „Is there anybody out there?“. Und wenn wir schon dabei sind: das Eingangsriff gleicht harmonisch gesehen voll und ganz den ersten Takten von Is There Anybody Out There. Und der Song selbst haut mich auch nicht so um. Hier kann auch Tates gewohnt genialer Gesang nicht mehr viel rausholen. Einzelne Stellen finde ich mal wieder gut, wie zum Beispiel den Prechorus oder eine Bridge im letzten Drittel des Songs, aber insgesamt ist The Mission ähnlich wie der Titeltrack etwas schleppend.
Der längste Song Suite Sister Mary wird dann eingeleitet von dem Befehl, Mary zu töten. Daraufhin folgen ein cleanes Gitarrenriff, mächtige Schlagzeug-Gitarren Kicks und ein Chor, der mal wieder an Pink Floyd erinnert, dieses mal ist es Atom Heart Mother. Trotzdem ist er extrem effektvoll, da er eine ziemlich erdrückende, bedrohliche Stimmung erzeugt. Der Song macht weiterhin im treibenden Mittelteil richtig Alarm. Nebst einem weiteren Choreinsatz (super!) kommt eine Dame zum Einsatz, die mit Geoff Tate im Duo singt. Mir gefällt allerdings ihre Stimme nicht allzu sehr. Ich finde, man hätte hier lieber eine Sängerin mit einer zierlicheren Stimme ranlassen können, um den Kontrast zwischen den beiden Sängern mehr hervorzuheben. An manchen Stellen, wenn die gesamte Band brettert, muss man sogar zweimal hinhören, um zu erkennen, wer hier gerade singt. Das gesamte Stück ist aber gut gelungen und stellt in Sachen Experimentierfreudigkeit wohl den progressiven Höhepunkt des Albums dar. Leider muss ich aber sagen, dass der Sound der Snaredrum in den treibenderen Stücken des Albums zwar sehr gut gepasst hat, er mich aber in diesem Lied (nebst anderen) etwas stört. Aber naja.
Das nächste Stück ist dann wieder ein Metallica Song mit einleitenden Stimmen und einem treibenden Refrain. Ich glaube hier auch ein wenig Guns N‘ Roses herauszuhören, besonders wenn Geoff Tate seine Stimme vor dem (im Übrigen sehr gelungenen) Solo in einem Schrei etwas aufdreht. Electric Requiem ist dann im Prinzip ein kurzes Zwischenstück, und wohl eine Verdeutlichung von Nikkis Wahnsinn. Eigentlich etwas unnötig.
Breaking The Silence drückt endlich mal wieder schön nach vorn und kommt als straighter Rocker daher, der mir persönlich sehr gut gefällt. Zwar könnten wohl einige Leute, die im entsprechenden Fachbereich mehr bewandert sind als ich, viele Beispiele für typische 80er-Jahre Hard Rock Bands nennen, die einen solchen Song so ziemlich eins zu eins hätten schreiben können.. Aber trotzdem finde ich ihn gelungen. Erneut findet sich ein cooler Refrain und gelungene Gitarrenarbeit. I Don‘t Believe in Love ist dann wieder ein Song, der in Richtung des Titeltracks geht: Tempo 110, stampfender Rhythmus etc. Er besticht aber durch einen äußerst eingängigen Refrain und eine gewisse Macht, die er ausstrahlt. Dieser Song ist gleichzeitig einer der ersten Songs, die von der Band kannte, und hat demnach eine Art Sonderposition für mich.
Waiting For 22 und My Empty Room sind eigentlich zwei völlig unnötige Füll-Stücke (ich weiß nicht, inwiefern zumindest letzteres durch den Text als Story-Vorantreiber eine Daseinsberechtigung hat). Waiting For 22 ist allerdings ein recht gelungenes Anhängsel am Schluss von I Don‘t Believe in Love, sodass es nicht wirklich störend ist.
Eyes Of A Stranger ist dann sozusagen das Finale. Es ist ein recht guter Song, auch wenn am Anfang mal wieder richtig schön geklaut wird. Man könnte denken, dass Roger Waters gleich anfängt, Empty Spaces zu singen. Es ist nur das gleiche Motiv, sondern genaugenommen sogar die selbe Tonart. Wie dem auch sei, Eyes Of A Stranger ist mal wieder ein Song, wie es gefühlte 3258473245 auf Mindcrime gibt. Er besticht aber genau wie I Don‘t Believe In Love mal wieder durch eingängige Melodien, die Songs wie Mission oder der Titeltrack nicht haben. Am Ende finden sich noch ein paar eingebaute Samples von vorangegangenen Songs, wie Speak, Operation Mindcrime oder Revolution Calling (eine coole Idee; wenigstens mal eine musikalische Brücke, obwohl eigentlich gemogelt), bevor der Song, nach etwas Soundchaos mit dem Wort REVOLUTION abrupt beendet wird (vgl. Stop aus The Wall - ich sag‘s ja..). Dann kommt noch kurz ein tiefer Keyboardton und Nikki, der wie am Anfang sagt, dass er sich jetzt erinnert („I Remember Now“).

So.

Man kann nix sagen, schlecht ist die Scheibe nicht. Es finden sich ein paar echt gute Songs. Meine Favoriten sind Revolution Calling, I Don‘t Believe In Love, Eyes Of The Stranger. Das sind allesamt kraftvolle, treibende Rocksongs mit eingängigen Refrains, teilweise sehr gut gespielten Gitarrensoli und, nicht zu vergessen, grandiosem Gesang.
Aber..
Meisterwerk? Prog Metal? Prog? Oder wenigstens Metal?
FEHLANZEIGE.
Was sich hier findet ist allenfalls leicht anspruchsvoller Hardrock der mit Soundeffekten ausgeschmückt wurde. Dazu kommt eine gesellschaftskritische Story, ein passendes Cover, mehrere Personen mit allem drum und dran; fertig ist das Gesamtkunstwerk- das ich ja nicht mal verdammen will! Sowas muss man auch erstmal erschaffen. Aber das ist weder Metal noch Prog- und demzufolge ja wohl auch ein Progmetal. Des weiteren wird, wie schon mehrfach erwähnt habe, teilweise gnadenlos geklaut. Man findet so viele Pink Floyd Anlehnungen auf diesem Album, dass man sie fast (in Steely Dan/ Keith Jarrett - Gaucho Manier) als Co-Komponisten oder wenigstens als große Inspirationsquelle listen könnte. Gerade bei The Wall müssen die Herren Queensryche gut aufgepasst haben.

Ich bin mir zu 100% bewusst, dass ich hier gerade heilige Kühe schlachte. Ich bin mir auch bewusst, dass Bands wie Dream Theater dieses Album gesuchtet haben müssen. Auf deren Debüt gibt es schon einige Passagen die man gern als Reminiszenz an Operation: Mindcrime bezeichnen kann. Aber musikalisch wird auf When Dream & Day Unite noch auf einem ganz anderen Level musiziert.
Bands wie Fates Warning oder Watchtower waren um 1988 einfach schon einen Schritt weiter, weswegen ich es einfach nicht für gerechtfertigt empfinden würde, Operation: Mindcrime die Krone des „ersten Prog Metal Albums“ aufzusetzen. Und was Dream Theater kurze Zeit später abgeliefert haben ist wie gesagt auch noch mal eine andere Liga.
Und was soll das überhaupt, einem Album immer so einen Schubladenstempel audrücken zu wollen? Ist In The Court Of The Crimson King wirklich das erste Progressive Rock Album? Haben die Beatles mit Sgt. Pepper wirklich den Psychedelic Rock erfunden? Das ist doch völlig irrelevant. Allesamt sind es einflussreiche, grandiose Alben gewesen, zu denen man Mindcrime zählen kann, aber nicht muss. Ich zähle es nicht dazu.
 

 

Bewertung:

Je nach Laune schwankt das immer mal so zwischen 8 und 9, also müsste hier eigentlich eine 8,5 stehen.

 

Vergleichbar mit:

Diversen 80er Jahre Hard Rock und Heavy Metal Bands.

 

 

 

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