Van Der Graaf Generator - A Grounding In Numbers (2011)

06.09.2013 18:22

Veröffentlichung: 2011

Genre/ Stil: Gute Frage?

 

Besetzung:

Peter Hammill - Gesang, Klavier, Gitarre

Hugh Banton - Bass, Orgel

Guy Evans - Schlagzeug

 

 

Die Titelliste las sich erstmal wie die des neusten Rhianna-Albums. Medusa? Splink? Bunsho? Dazu kamen die Songlängen, die nicht über 6 Minuten hinausgehen. Der Großteil der Songs liegt im 2-3 Minuten Bereich. Was ist aus den Epen aus den 70ern geworden? Schnell nachgelesen, ob es sich vielleicht um ein Konzeptalbum handelt, bei dem kleine Einzelteile ein großes Ganzes ergeben... Aber nein, es sind wirklich 13 eigenständige 'Liedchen', ohne großen Zusammenhang aneinander gereiht. Die Kritiken sind zwar wie üblich sehr gut ausgefallen, doch sprach mich rein äußerlich an dem Album nichts an. Daher habe ich es mir erstmal garnicht gekauft.


Ich hab mit VDGG so meine Probleme. Ich mag die Stimmung vieler Lieder, ich liebe Hammills Stimme, ich mag, was sie versuchen, aber ich mag irgendwie ihre Musik einfach nicht! Doch ich habe Hoffnung, dass sich das irgendwann mal ändert. Sie werden immerhin mit Crimso, Genesis und Yes (alles meine Götter) in einem Atemzug genannt. Und auch King Crimson mochte ich einst nicht. Aber beeindruckt haben sie mich schon immer. Genau wie VDGG. Daher besorg ich mir fein säuberlich nach und nach jedes ihrer Alben. Ich besitze sogar den Großteil ihres 70er Outputs. Einige Lieder sind auch Grandotes, aber so richtig will es nicht klick machen.

Mit diesem Album ändert sich das vielleicht. Denn im Endeffekt hab ich's mir natürlich dann doch gekauft. Neugierig wie ich bin. Und ich bin echt froh drüber. Ich empfehle, das Album zuerst als Berieselung nebenbei zu hören, um einen ungefähren Eindruck zu bekommen. So schnappt man einige Sequenzen auf. Danach sollte man sich mal ein paar Stunden Zeit nehmen und es genau studieren. Denn zu studieren gibt es hier viel.

Auf eine eigenartige Weise erinnert mich das Album an Pain Of Salvations letztes Werk Road Salt I. Nicht, dass die Musik nun ähnlich wäre, aber was VDGG hier versuchen (und ihnen letztendlich auch gelingt) geht in eine ähnliche Richtung. A Grounding In Numbers ist extrem natürlich und sehr schlicht und wirkt absolut nicht gewollt, aber echt gekonnt. Sie machen nicht mehr als sie müssen, aber das auf absolut schwindelerregend hohem Niveau. Und letztendlich sind mir ein paar kleine Gemeinsamkeiten aufgefallen, wie die bereits erwähnten ungewöhnlich kurzen und voneinander unabhängigen Songs, das starke Zuschneiden auf den Sänger Hammill bzw. Gildenlöw, und die geschmackvollen, tiefen, aber doch schlichten Arrangements mit versteckten Gimmicks, ohne dabei irgendwie penetrant zu werden. Was auch beide Alben perfekt meistern, ist, einen guten Gesamteindruck zu hinterlassen. Denn trotz der kurzen Liedchen wirkt nichts unvollendet oder nicht zu Ende gedacht, sondern als Gesamtwerk wie ein Konzeptalbum, obwohl es zumindest musikalisch offensichtlich genau das Gegenteil ist.

Doch trotz dieser Dinge, die mich anfangs ziemlich verwirrt haben, gibt es letztendlich recht wenig zu meckern. Im Gegenteil; der Großteil der Lieder weißt eine ziemlich starke Komplexität und Vertracktheit auf. Dabei geht's ruhig los, was mich anfangs sehr verwirrt hat. Als es dann mit Mathematics ruhig weiterging hab ich erstmals die Musik ausgemacht, nachgeschaut ob ich nicht vielleicht das neue Hammill Soloalbum erwischt habe. Nein, hier steht eindeutig VDGG. Danach geht es aber los, mit Highly Strung, das mich sehr an die frühen Rocker eines Peter Gabriels (Modern Love) und die abgefahreneren Sachen von David Bowie (besonders der Gesang) erinnert. Man begibt sich danach in leichte Ambient-Gefilde mit einem Instrumental, das nicht mal eine Melodie besitzt, von Gesang garnicht zu reden. Wenn wir schon mal beim Gesang sind, der ist bis auf die zwei Instrumentals mal wieder omnipräsent und obergenial. Es ist mir ein Rätsel wie Hammill seit über 40 Jahren immer noch so exzentrisch und vielseitig singt.
Bunsho ist das Stück, was mir am leichtesten zugänglich war. Klampfe, Orgelteppich, leichtes Schlagzeug, Ohrwurm. Snakeoil ist leicht fröhlich und irgendwie sarkastisch. Besonders nett finde ich den wütenden TEACHER-KNOWS-BEST-Teil. Splink ist besonders interessant. Es handelt sich weniger um ein Lied als vielmehr 3 oder vier 4 Lieder, die nach und nach auftauchen und mit einander null zu zutun haben. Am Ende laufen sie aber perfekt zusammen. Hier werden auch einige Stücke des Albums zitiert. Klasse gemacht. Embarrasing Kid ist recht rockig und provokant und glänzt durch eine riffende Gitarre und abermals genialen Gesang. Medusa ist ruhig könnte in den 70ern als spannungsaufbauender Part in einem Longtrack auftauchen, kommt als Einzelsong aber auch ganz gut. Auch Mr. Sands erinnert an Frühwerke. Nur wird, wie im gesamten Album, die Wahnsinnsorgien weggelassen. Aber stellenweise veräppelnd wie früher wirkt das schon. Das wird auf die Spitze getrieben mit dem folgenden leicht verdrehten Diskogroover Smoke. Die Orgel hüpft, die Gitarre spielt dissonant und der Gesang ist einfach nur herrlich komisch. Nahtlos geht man über in 5533, das das komische abermals steigert. In unergründlichem Takt kombiniert man wuselndes Schlagzeug, walking Bass und eingeworfene Gitarrenakkorde mit einem halb gesungenen wie immer seltsamen Text. Five-Five-Three-Three-Doubletwo-Three. Warum Hammill die 3en einzeln und die 2en mit 'double' singt, wird der Menschheit wohl für immer ein Rätsel bleiben.
Der letzte Song ist der längste, bringt es aber trotzdem kaum auf die länger mancher kürzerer Songs der 70er Werke. Angeschnitten wurde das Grundthema schon in Splink, hier wird es ausgebaut. Mit Cello und Piano baut man eine leicht bedrohliche, verschrobene Stimmung auf, die am Ende (sogar mit verzerrter Gitarre) ihren Höhepunkt findet, bevor alles abrupt und unaufgelöst endet. Groß und absolut VDGG-typisch.

Was die späten VDGG von den frühen unterscheidet, aber nicht minder interessant macht, ist nicht etwa ein völlig anderer Stil, sondern viel eher das Beschränken auf weniger. Wo bei Lemmings ein Thema bis zum Wahnsinn ausgewalzt wird, bis man selbst als Hörer verzweifelte, wird es heute beim dezenten Anschneiden gelassen. Das bedeutet weder Nachlass, noch Steigerung, sondern einfach nur Änderung. Und minder persönlich ist die Musik dadurch trotzdem nicht. Im Gegenteil; Hammill beispielsweise scheint wohl Liebe zur Mathematik entwickelt zu haben und muss das allen zeigen. Oder er hat seinem Sohn (Enkel?) bei den Mathehausaufgaben geholfen und hat, fasziniert durch das Verhältnis von pi, i und e, gleichmal einen 1A-Song draus gemacht. Und diesen noch so untiefgründigen Text mit Musik zu kombinieren und das dann auch noch gut aussehen zu lassen, das nenn ich Kunst!

 

 

Bewertung:

 

Vergleichbar mit: Siehe Text für Einzelheiten, ansonsten bleiben VDGG ihrem Stil in abgewandelter Art und Weise treu.

 

 

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