Neal Morse - Testimony II (2011)

19.12.2013 16:00

Veröffentlichung: 23. Mai 2011

Genre/ Stil: Retro-Progressive Rock, typische Morse Musik, geistliche Musik

 

Titelliste:

CD1:

1. Pt. 6 - Mercy Street

2. Pt. 6 - Overture No. 4

3. Pt. 6 - Time Changer

4. Pt. 6 - Jayda

5. Pt. 7 - Nighttime Collector

6. Pt. 7 - Time Has Come Today

7. Pt. 7 - Jesus' Blood

8. Pt. 7 - The Truth Will Set You Free

9. Pt. 8 - Chance Of A Lifetime

10. Pt. 8 - Jesus Bring Me Home

11. Pt. 8 - Road Dog Blues

12. Pt. 8 - It's For You

13. Pt. 8 - Crossing Over/ Mercy Street Reprise

CD2:

1. Absolute Beginner

2. Supernatural

3. Seeds Of Gold

 

Besetzung:

Neal Morse - Gesang, GItarre, Keyboards

Randy George - Bass

Mike Portnoy - Drums

Steve Morse - Gitarre (Seeds Of Gold)

Paul Bielatowicz - Gitarre

Nick D'Virgilio, Alan Morse, Dave Meros - Gesang (Time Changer)

 
 
Ich habe das neue Neal-Werk aus Zufall zum ersten mal an einem sehr tragischen Tag einer meiner besten Freunde gehört. Er hat am 5. Mai seinen Vater verloren, und das mit 17. Da er ein guter Freund ist, da ich den Vater kannte und da ich sowieso immer sehr mitfühle, hat mich das sehr mitgenommen. Noch dazu ist das ganze eine Sache, die in meine Birne nicht reingeht: Ein 17jähriger Junge, der ohne Vater aufwächst.
Das als persönliches Vorwort (ist ja auch ein persönliches Album), denn genau in diesen Momenten wird einem mehr als sonst klar, dass Neals Musik von Herzen kommt und direkt an die Herzen seiner Hörer gerichtet ist. Neben der Musiktheorie, neben dem Vorwurf, Morse-Musik sei ewig gleich, neben musikalischen Leistungen, neben schwachen oder guten Texten ist genau DAS für mich ein sehr wichtiger Punkt. Musik kann noch so genial sein, wenn sie (mich) nicht berührt, ist nix zu machen.

Doch Neals Musik berührt, bringt zum Weinen, zum Lachen, zum Mitsingen. (Auch) das macht für mich gute Musik aus. Und Morse-Musik war schon immer so, doch mit seinem letzten Werk ist ihm meiner Meinung nach ein großer Wurf gelungen. Mit Teil eins hat das hier nicht mehr allzu viel zu tun. Es ist anspruchsvoller, kantiger, proggiger (?) und vielseitiger als alles was wir von ihm in den letzten Jahren gehört haben. Immer noch typisch Neal, aber diesmal wieder mit etwas Beard-Feeling. Kein Wunder; er singt ja auch über die Bärte. Bemerkenswert dabei: Die Schmalzballaden Marke „ganz-schlimm“ (Oh, To Feel Him etc.) hat er dabei im Baukasten gelassen und stattdessen mehr Einfallsreichtum und Eier eingebaut. Klar, Passagen, die einen zum Boden ziehen, die einen an eigene gute/schlechte Erfahrungen erinnern (Jayda), gibt es immer noch. Doch entweder hat er diesmal den Schmalz vergessen, oder er hat sich ein paar Rezensionen zu seinen Vorgängeralben durchgelesen. 

Trotz aller Unterschiede setzt Neal an, wo er 2003 aufgehört hat: mit Part 6 seines Lebens. Die Grundmelodie des ersten Teils wirft uns wieder voll ins Geschehen (Morse-Melodien vergisst man nie), bevor er mit Mercy Street in Wind-At-My-Back-Manier losfrönt. Schöner Einstieg. Kurz darauf finden wir uns in einer absolut Neal-typischen Overtüre wieder. Frickelfrickel, Bombast, Groove, Orchester. Anders als vorher aber: Hier werden nicht tausende Themen aneinandergehängt, sondern alles wirkt homogen und zusammenhängend und vor allem nicht zu lang (knapp über 5min). Einige Themen aus Teil eins bekommen wir auch zu hören. Ein solches leitet uns auch in das *erste Spock’s Beard Lied seit fast 10 Jahren* ein. Nicht erschrecken, natürlich ist es Neal-solo, aber man kann hier endlich mal wieder einen geilen Acapella-Part hören. Und der wurde gesungen von.. tadaaa den Herren Spock’s Beard! Auch thematisch berichtet der von „Spock’s, the new kid in town“. Und es wird noch „beardiger“, und zwar mit einem waschechten Zitat aus einem frühen Spock’s-Beard-Song (verrate aber nicht welcher, hehe).
Part 6 wird abgeschlossen mit einer der schönsten Balladen von Morse: Jayda. Kein überschwänglicher Bombast und Jeeeesus und Goood (die kommen später), sondern 6/8, akustische Gitarre, ein paar Streicher, ein tieftrauriger Text und eine zerbrechliche Stimme. Auch Portnoy benimmt sich. Am Ende gibt es doch noch ein bisschen Bombast, der aber gemäßigt und passend. Groß.
Part 7 beginnt mit einer Art Ladies-And-Gentlemen-Mister-Ryo-Okumoto-On-The-Keyboards (Snow) Part zwei. Livefeeling, ein schreiender Neal und ein paar Impro-Soli. Doch dann wird es wieder vertrackter und dramatischer. Wir befinden uns in Time Has Come Today (hat aber mit dem Song von Beware Of Darkness nicht das Geringste zutun). Zwei Minuten instrumental Meisterklasse, bevor man straight weiterrockt.
Dann kommt Morse nach Hause vom Muggen und geht erstmal zur Kirche. Jesus’ Blood ist eine Ballade, aber erneut nicht halb so schmalzig und überdirekt wie einst Wasted Life, sondern düster (Vergleich: Sola Scriptura), schön und ergreifend (auch wenn ich jedes mal Ohrenkrampf kriege wenn ich Jeesuus höre..). Der letzte Track von Part 7 ist ein recht straighter Mid-Tempo-Rocker mit Mitgröhlrefrain, ähnlich Mercy For Sale oder Long Time Suffering, aber mit mehr Gimmicks und Dramatik.
Der Beginn von Part 8 erinnert mich ein wenig an The Separated Man, ähnelt aber auch sehr dem 39th Street Blues von Snow. Jesus Bring Me Home ist eigentlich musikalisch sehr ähnlich; die beiden könnten demnach eigentlich auch ein Lied sein. Abschluss bildet eine Gänsehaut-Reprise des Grundthemas von Teil eins. Road Dog Blues ist eigentlich gar kein Blues, sondern eine Art Rejoice zwei. Geht aber nur 2 Minuten, bevor man vom Fröhlichen wieder ins Dramatische übergeht. Eine Minute ist Ruhe (Pianoinerludium), bevor man mit It’s For You Dramatik und Drive perfekt verbindet. Das Stück ist eins der besten des Albums. Klavier, Orchester und wummernde Drums dominieren den Song, bevor man ihm mit einem Key-Gitarren-Synchrosolo abschließt. Man bekommt wieder Gottes Melodie (wir erinnern uns: God’s Theme aus Teil eins) zu hören, bevor sich mit Crossing Over/Mercy Street Revisited ein Finale entwickelt, das mittlerweile typisch für Neal ist. Doch auch hier: nur halb-schmalzig. Wir hören eine schöne Durchführung des Albums und einen triumphierenden Abschluss Marke „Großes-Bombast-Kino“. 
 
CD 2 beinhaltet einen straighten Rocker, ein Sommerliedchen irgendwo zwischen June und Skin, und einen wahrlich geilen Longtrackden Morse wohl mal nebenbei geschrieben hat und ihn der Welt nicht vorenthalten wollte. Seeds Of Gold beginnt mit Klavier und fast klassisch-romantischer Harmonik (vgl. The Doorway), beinhaltet eine tolle Overtüre, ein WAHNSINNS Gitarrensolo von Meister Steve Morse und viele schöne Momente. Hier merkt man, dass man mit Morse schon einen wirklich großen Komponisten vor sich hat.

Neal hat seinen Neuanfang mit Testimony begonnen, vielleicht ist es jetzt Zeit, mit Testimony II von hinten wieder von vorn anzufangen? Man bekommt musikalische (Overture No.I, The Promise, und.. nee verrat ich nicht;) ) und textliche (I Am Willing, Bridge Across Forever, Time Has Come) Anspielungen zu hören, vielleicht bedeutet das ja was? Noch dazu das Spock’s Beard Gastspiel, Morses Beitrag auf SBX und die Transatlantic-Reunion vor zwei Jahren.. Ich sehe Neal schon wieder mit den Bärten auf der Bühne stehen.

Doch ob mit oder ohne Bärte, Neal macht immer(noch) große Musik für jedermann und überzeugt immer noch. Testimony ist Neals bestes Werk seit langem und übertrifft Teil Eins in vielerlei Hinsicht. Zumal hier mehr Potenzial auf eine CD gebannt wird als bei Teil eins auf zwei.
Und um noch mal auf die Einleitung zurückzukommen: Neal ist mittlerweile Freund und Helfer seiner Hörer geworden, zumindest mir hat er schon durch so manche Phase geholfen. Und von aufhören ist wohl noch nichts zu sehen. Ich sag's euch, Testimony wird kommen, und war 2017.. Geschrieben ist es wahrscheinlich eh schon.......
 
 

Bewertung: 

 

Vergleichbar mit: 

Morse selbst natürlich. 

 
 
 
 
 

Mehr von Neal Morse:

Neal Morse - Momentum (2012)

 

Transatlantic - The Whirlwind (2009)

Spock's Beard - The First Twenty Years (2015)

 
 
 

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