Haken - L-1VE (2018)

11.06.2018 09:39

 

Veröffentlichung: 22. Juni 2018

Stil/ Genre: Prog-Metal, Retro-Prog,

 

Besetzung:

Charlie Griffiths - Gitarre 

Conner Green - Bass 

Diego Tejeida - Keyboard 

Raymond Hearne - Schlagzeug

Richard Henshall - Gitarre, Keyboard

Ross Jennings - Vocals

 

Titelliste:

1. affinity.exe / Initiate

2. In Memoriam 

3. 1985

4. Red Giant

5. Aquamedley

6. As Death Embraces

7. Atlas Stone

8 Cockroach King

9. The Architect

10. The Endless Knot

11. Visions

 

Haken haben sich mittlerweile zu einer treibenden Kraft im Progressive Rock Genre entwickelt. Ihr Debüt Album war bereits zu perfekt um ein Debüt zu sein, und jedes ihrer folgenden Alben hat neue Wege beschritten, ohne den typischen Haken Sound zu vernachlässigen. Die Band erreichte ihren ersten kreativen Höhepunkt mit dem von Kritikern gepriesenen The Mountain (2013), nur um sich drei Jahre später mit dem Nachfolger Affinity nochmals zu steigern. Das 2016 veröffentlichte Album verbindet die für die Band typischen poppigen Gesangslinien und harten, leicht dem Djent entlehnten Gitarrenriffs mit neu eingebundenen 1980er Anleihen zu einer Kombination, von der ich nie für möglich gehalten hätte, dass sie funktioniert. Affinity war das erste Album, was im Kollektiv geschrieben wurde, nachdem die vorherigen Alben vorrangig auf Richard Henshall zurückgingen. Besonders der Keyboarder Diego Tejeida und das Monster von Drummer Ray Hearne zeigten ihr Potential und steuerten derartig abgefahrene Sounds und rhythmische Strukturen bei, dass man zweifeln durfte, ob das alles live überhaupt noch reproduzierbar war. Natürlich zeigte ein Konzertbesuch bei der darauffolgenden Tour, dass diese Zweifel vollkommen unbegründet waren, denn… wir reden schließlich von Haken. Jeder, der schon einmal einem ihrer Shows beigewohnt hat, dürfte wissen, dass man diese Konzerte nicht verpassen sollte. Die Band spielt nicht nur mit absoluter Perfektion, sondern auch mit viel Leidenschaft und hält ständig den Kontakt zum Publikum. Fans haben bereits eine ganze Weile auf eine offizielle Veröffentlichung von Livematerial gewartet, und scheinbar hat die Band ihre Wünsche erhört.

 

L-1VE beinhaltet die komplette letzte Show der 10th Anniversary Tour in Amsterdam auf CD und DVD, nebst einigen Songs vom Konzert auf dem Prog Power Festival 2016 und drei Musikvideos auf der zweiten DVD. Wie es bei einem Jubiläumskonzert sein sollte, deckt die Setlist sämtliche Alben der Band ab. Sogar die lange Debatte, ob Visions oder Crystallized die bessere Zugabe ist, wird dadurch gelöst, dass die Performance von Crystallized des Prog Power Festivals auf der zweiten DVD vertreten ist. Das minimalistische Design des Albums folgt eindeutig dem 80er-beeinflussten Flair von Affinity.

 

Haken haben jedes Konzert dieser Tour mit dem Intro affinity.exe und dem Opener Initiate ihres letzten Albums eröffnet. Nach den kaum hörbaren Morse-Codes und den ersten Soundeffekten von affinity.exe geht die Band auf die Bühne und wird mit lautem Applaus vom Publikum begrüßt. Während ich das erste mal auf dieser Veröffentlichung gehört hab, wie Initiate den Zuschauern Feuer unter dem Arsch macht, hab ich mich kurz gewundert, ob ich hier vielleicht nur die Studioaufnahme mit ein paar Zuschauer-Overdubs hörte. Besonders die Affinity Songs 1985, The Architect, The Endless Knot und das erwähnte Initiate sind extrem nahe am Original dargeboten, was natürlich eine immense Leistung ist, was Performance, Aufnahme und Produktion angeht. Sogar das unglaublich komplexe The Architect (wahrscheinlich mein liebster Haken Song überhaupt) wird mit beeindruckender Perfektion gespielt und beinhaltet ein paar der besten Momente des Konzerts. Trotzdem lassen die Songs keine Live-Atmosphere vermissen. The metallastige Bridge in Initiate, der berüchtigte A-Team Part in 1985 und der Dubstep Abschnitt in The Endless Knot finden besonderen Anklang vom Publikum und werden mit viel Gejubel und Applaus entgegengenommen. Während letzterem entsteht sogar ein Moshpit, was besonders Ross Jennings zu amüsieren scheint.

Und wenn wir schon bei Ross Jennings sind. Als die erste Single des Albums, In Memoriam (The Mountain) veröffentlicht wurde, hagelte es plötzlich Kritik, Jennings Stimme sei overdubbed oder stark bearbeitet gewesen. Nur soviel, ich hab genug Shows der Band gesehen, bei denen Ross eine genau so gute Performance abgeliefert hat wie hier. Es gibt einige unbearbeitete Liveaufnahmen bei YouTube, auf denen er ebenso brilliant singt. Selbst wenn hier Nachbearbeitungen stattgefunden haben sollten, so ist das auch nichts verwerfliches. Es ist das erste Live Album der Band und es ist vollkommen verständlich, dass die Jungs nichts anbrennen lassen wollen. Ross Jennings liefert eine tolle Performance ab, genau wie alle anderen. Obwohl sich jeder auf sein eigenes Instrument konzentriert, scheint keiner Schwierigkeiten beim Spielen dieses höllisch schwierigen Krams zu haben. Im Gegenteil, die Band schafft es sogar noch, gelegentlich ihre Fans anzugrinsen oder irgendwelchen Jux zwischen die abgefahrenen Riffs und komplizierten Soli zu schieben.

 

Die Lieder von The Mountain scheinen mittlerweile eine ganz eigene Live Dynamik entwickelt zu haben. Besonders beim Cockroach King fängt die Masse jedesmal an zu jubeln und die Band bei den Gentle Giant inspirierten Gesangspassagen zu unterstützen. Der Track ists zum Trademark Song der Band geworden und stellt ein absolutes Highlight in jedem Haken Konzert dar. Das ruhige As Death Embraces ist die einzige Ballade hier und ist perfekt in der Mitte des Konzertes positioniert. Auch wenn es nicht unbedingt meine liebste Ballade der Band ist, stellt es einen willkommenen Ruhepol zwischen dem epischen Aquamedley und den progressiven Openern von The Mountain dar.

 

Womit wir beim nächsten Highlight des Konzerts angelangt wären. Die Band wollte ihr Debüt Album während dieser 10th Anniversary Tour besonders würdigen und hat die komplette Komposition in ein 23 minütiges Aquamedley umarrangiert, welches die Kerninformationen von sechs der sieben Albumtracks zusammenfasst. Die Songs bleiben in ihrer ursprünglichen Reihenfolge, aber manche Abschnitte wurden umpositioniert, um besser in den Fluss des Medleys zu passen. Da Aquarius ein Konzeptalbum ist und an allen Ecken und Enden Themen wiederaufgegriffen werden, funktioniert diese eingekürzte Version hervorragend.

Das Konzert wird beschlossen von einem weiteren Fan-Liebling und perfekten Ende eines jeden Haken Konzerts; dem opulenten Visions. Sein bombastisch-majestätisches Finale ist einfach nur atemberaubend und endet nicht selten mit Tränen in den Augen der Zuschauer. Ich war bereits bei vielen Konzerten der Band, bei denen die Menge nach dem Song einfach noch weiter gesungen hat. Lieder war das Konzert in Amsterdam keins dieser Konzerte. Trotzdem bleibt Visions der ultimative Abschluss für diese progressive Tour de Force. Es gefällt mir persönlich sogar noch besser als Crystallized an seiner Stelle.

 

Fans müssen sich darüber aber keine Gedanken machen. Denn neben Earthrise und den zwei 10-Minuten Monstern Falling Back To Earth und Pareidolia ist auch Crystallized auf der zweiten DVD vorhanden. Leider beinhaltet meine Promo Version des Albums nur das Hauptkonzert, aber ich hab das Gefühl, dass auch die Aufnahmen vom Prog Power Festival nicht viel schlechter sind als die aus Amsterdam.

 

Letzten Endes bekommen Fans mit L-1VE ein schönes Rundumpaket. Das einzige was noch fehlt ist eine Vinyl Ausgabe, aber die folgt vielleicht noch nachdem Fans lang genug jammern. Der Sound dieser Aufnahmen ist unglaublich gut für eine Liveveröffentlichung, obwohl Ross’ Stimme ruhig noch etwas lauter im Mix hätte sein können. Richard Henshall’s und Charlie Griffiths’ Gitarren sind jeweils auf die rechten und linken Lautsprecher aufgeteilt, daher empfehle ich wärmstens, hier auch mal mit Kopfhörern reinzuhören. Dadurch findet man raus, welcher Gitarrist was spielt und entdeckt ein paar Details im Arrangement, die man auf den Studioaufnahmen vielleicht noch nicht bemerkt hat.

Die Beleuchtung ist schlicht gehalten, aber koordiniert perfekt mit der Musik der Band. Die Kameraführung ist nicht unbedingt spektakulär, fokussiert sich aber auf den jeweiligen Protagonisten und ist gut durchdacht. Gern hätte ich noch etwas mehr von Ray Hearne gesehen, zum Beispiel durch eine Overhead Kamera. Sein Schlagzeugspiel auf diesem Album ist absolut geil und verdient nicht nur gehört zu werden, sondern auch gesehen. All diese Punkte sind aber Kritik auf hohem Nivea, denn Haken haben es eigentlich mal wieder geschafft, alles richtig zu machen.

 

Natürlich kann diese Veröffentlichung nicht für die wahre Haken Live-Experience kompensieren. Aber sie ist nahe dran, sehr nahe.

 

 

Bewertung:

 

 

 

Vergleichbar mit:

The Cockroach King! 

 
Mehr von Haken:

Haken - The Mountain (2013)

 

Kommentare

Es wurden keine Beiträge gefunden.

Neuer Beitrag