Spock's Beard - Brief Nocturnes & Dreamless Sleep

03.03.2015 13:59

Veröffentlichung: 2013

Stil/ Genre: Retro-Progressive Rock, Hard Rock, Art Pop

 

Besetzung:

Ted Leonard - Gesang, Gitarre

Alan Morse - Gitarre, Gesang

Dave Meros - Bass, Gesang

Jimmy Keegan - Drums, Gesang

Ryo Okumoto - Keyboards

 

Tracklist:

Disc 1

1. Hiding Out 

2. I Know Your Secret

3. A Treasure Abondoned

4. Submerged

5. Afterthoughts

6. Something Very Strange

7. Waiting For Me

Disc 2

1. The Man You're Afraid You Are

2. Down A Bruning Road

3. Wish I Were Here

4. Something Very Strange (Remix)

5. Postcards From Perdition

 

Ich muss ehrlich zugeben; die neue Spock’s Beard ist wirklich gut geworden. Ob das nun neu, fort- oder rückschrittlich ist, innovativ oder sonst was. Wenn mir etwas gefällt, begrüße ich es, auch, wenn es davon viel gibt- siehe Neal Morse. Der macht seit fünfzehn Jahren die gleiche Musik und trotzdem kaufe ich mir jedes neue Album und höre es. Dagegen machen die Bärte ja geradezu einen auf King Crimson: die Besetzung wird durch den Ausstieg eines der wichtigsten Bandmitglieder gerade dann entscheidend geändert, wenn man meint, die neue (mittlerweile aber schon wieder alte) Besetzung hätte ihren Weg gefunden. Wie sollten Spock’s Beard ohne den charismatischen Sänger und fantastischen Schlagzeuger Nick D’Virgilio weitermachen? Ich dachte eigentlich, er würde eher einen auf Phil Collins als auf Mike Portnoy machen.. ich meine, er hat die letzten vier Alben mit seiner Stimme schon ziemlich stark geprägt, hat diese doch einen recht großen Wiedererkennungswert. Und sein Schlagzeugspiel ist wie gesagt ohnehin über alles erhaben.
Ersatz war schnell gefunden. Kein monatelanges Rätseln der Fans, keine dreiteilige Dokumentation und keine langen Gerüchte kamen auf. Vermutungen wurden schnell Realität; Jimmy Keegan, der Tourdrummer der Band würde in Zukunft auch auf den Studioalben spielen, während Ted Leonard, welcher Nick D’Virgilio bereits beim Hig Voltage Festival vertreten hat, den Gesang übernimmt.
Es herrscht also reichlich Bewegung bei Spock’s Beard. Die Frage ist jetzt; wirkt sich das auch auf die Musik aus? Nein, nicht wirklich. Man besinnt sich wieder mal verstärkt auf straighte Elemente, insgesamt würde ich sagen, das Album klingt „klassischer“ als die vier davor. Aber ich könnte es mir genauso gut mit Nick D’Virgilio vorstellen. Bärte-Fans können also eigentlich hier aufhören zu lesen und bedenkenlos zugreifen, wenn sie das Teil nicht ohnehin schon haben. Für jene, die es etwas interessiert, habe ich aber noch eine Track-by-Track-Analyse.

Der Opener Hiding Out lässt gleich erstmal eigentlich nichts vermissen. Klavier, coole Riffs, Groove, Hammond, Taktwechsel, Mellotron, hymnischer Refrain, Soli usw., also alles was man so von den Bärten erwartet. Es ist ein geiles Lied rausgekommen, das sich wirklich sehen lassen kann. Und siehe da, es ist ein Ted Leonard Lied. Alle Achtung. Dieser Song passt perfekt in die Spock’s Beard Ecke, hätte fast von Neal Morse stammen können.
Im nächsten Stück I Know Your Secret spürt man deutlich Nick D’Virgilios Abstinenz. Ich muss immer daran denken, wie sehr der Anfang mit ihm gegroovt hätte. Er groovt natürlich jetzt auch, denn, keine Frage, Keegan ist ein toller Drummer. Aber niemand groovt wie Nick D’Virgilio. Nach wenigen Sekunden scheint der Song es sich anders zu überlegen und schlägt ein völlig neues Tempo ein. Wirkt auf mich etwas verwirrend, zumal der Rest Songs in diesem Tempo bleibt. Er ist demnach etwas seltsam strukturiert, ähnlich wie damals Strange World. Naja, trotzdem ein gutes Lied, mit sehr viel Biss und Energie. Im ruhigen Mittelteil klingt Ted Leonard erstaunlich ähnlich wie NDV.
A Treasure Abandoned ist einer dieser typischen bärtigen hymnischen Rockern. Der charakteristische Flötensound kehrt zurück und stellt eine Melodie vor, die sich als Grundthema des Liedes herausstellt. Später bekommen wir auch noch einen tollen, eher ruhig gehaltenen, Soloteil zu hören, gespickt mit einem geradezu crimsoiden Kirmesteil. Sehr cool. A Treasure Abandoned ist ein wirklich gutes Lied, ich würde es aber entgegen vieler Meinungen im Internet nicht als den Höhepunkt des Albums bezeichnen.
Submerged (hat nix mit The Great Nothing zu tun) ist die erste richtige Verschnaufpause und hat in der Tat Ohrwurmcharakter. Wir reden hier bezeichnenderweise nicht von einer Ballade, sondern von einem sehr eingängig und poppig geratenen Rocksong. Klingt für mich sehr sommerlich, irgendwie amerikanisch und ist einfach nett.
Auf Afterthoughts war ich sehr gespannt. Ich bin großer Fan der anderen Thoughts-Teile, auch des Part 5 von Morses Momentum. Vorweg, die Größe des ersten Teils wird wie auch bei den anderen Parts nicht erreicht. Aber Afterthoughts ist schleppend, cool, die Gesangsarragements sind geschmackvoll, wenn auch nicht ganz so interessant wie die des Thoughts Part 5. Dafür ist es nicht so überladen wie letztgenanntes. Insgesamt kann sich Afterthoughts neben den anderen Parts mit Leichtigkeit sehen lassen. Wirklich gut.
Something Very Strange beginnt sehr seltsam, mit Windgeräuschen, Orgel und Vocoder. Danach baut sich der Song auf, mit Orgel und Bass, bevor er richtig geil anfängt zu grooven. Was folgt ist ein extrem kraftvolles Präludium im astreinen SB-Stil, das nix vermissen lässt. Der Song hat eine tolle Atmosphäre, leicht „genesisig“, und außerdem einen sehr treibenden, hymnischen Refrain. Im Folgenden bekommen wir noch einen sehr geilen Solopart zu hören, bevor es wieder ZACK in den Refrain geht. Am Ende kehrt man zu den Windgeräuschen und der Orgel zurück, womit der Song aufhört wie er anfängt. Ein wirklich gutes Lied, sehr rund, energiereich und eingängig. Bis jetzt mein liebstes Stück der Platte.
Das reguläre Album wird abgeschlossen von Waiting For Me, dem mit über 12 Minuten längsten Stück der CD. Hier bekomme ich wirklich das Gefühl, man hätte einen letzten Versuch gestartet, etwas zu schaffen, was man schon lange versucht: So zu klingen wie ihr Meister; und zwar mit der Unterschrift „Was der kann, können wir auch“. Waiting For Me ist durch und durch Neal Morse. Und siehe da, er hat sogar mitkomponiert. Er kann es einfach nicht lassen! ;) Der Aufbau, die Sounds, die Soli, die Melodien und Lines- alles Morse! Das tut dem Genuss natürlich keinen Abbruch, der Song ist trotzdem klasse. Alan Morse spielt hier übrigens eins seiner besten Soli. Am Ende denkt man wirklich, man hat die neue Neal Morse gehört. Der Abschluss ist königlich und bombastisch, aber nicht zu lang.

Nun, wer hier noch nicht genug hat, greift zur Limited Edition. Es ist mir nicht verständlich, warum diese Songs auf der Bonus Disc sind. Bereits der Opener The Man You’re Afraid You Are strotzt von Energie und Kreativität. Er beginnt als ein schleppender, verschrobener, beatlesquer Rocker, aber bietet gegen Ende hin noch ein paar coole Gimmicks, wie zum Beispiel einen verspielten Soloteil. Außerdem endet der Song anders als man erwartet.
Down A Burning Road ist im Prinzip die einzige Ballade des Albums, unterscheidet sich aber grundlegend von, sagen wir, beispielsweise Morse-Balladen oder Songs wie Watching The Tide. Die Band hatte ja eigentlich bereits ab ihrem neunten selbstbetitelten Album aufgehört, so richtig kitschige Balladen zu schreiben. Es handelt sich hier um ein recht düsteres Lied, mit Mellotron, Gilmour-Gitarre und apokalyptischem Text. Der Refrain hat Ohrwurmpotential. Der Mittelteil erinnert extrem an die ganz frühen Genesis, besonders an den ruhigen Teil von The Knife. Gegen Ende bekommen wir noch ein tolles Gitarrensolo von Alan Morse zu hören, bevor der Song düster mit Gewittersoundeffekten endet.
Wish I Were Here ist in der Tat kein Pink Floyd änhlicher Song, er erinnert mich viel eher an die Bonustracks von Octane. Der Gesang ist skurril, das Schlagzeug durchaus Collins-ähnlich, der Text komisch. Sehr geil ist das jazzige, klimpernde Klavier über den brachialen Groove am Ende. Das Lied ist sicher kein Überflieger, aber ich finde es ganz cool. 
Den Abschluss der „normalen“ Limited Edition bildet ein Remix von Someting Very Strange, der nicht annähernd so gut ist wie das Original. Braucht eigentlich kein Mensch.
Wesentlich interessanter ist da schon der Bonus Track Postcards From Perdition, ein treibendes, kleines aber feines Instrumental. Hier hätte man auch einen 20 Minuten Monstertrack draus machen können, dieser Song wäre das ideale Präludium dazu. Aber es wirkt auch als Instrumental. Die Stimmung ist düster, die Instrumentierung auffällig oldschoolig (Mellotron, Orgel, Quietschekeys). Schade, dass der Song nicht auf der offiziellen CD gelandet ist.

Ja, wie gesagt, bei Spocks Beard hat sich nicht viel verändert, und das ist gut so. Man könnte auch sagen, sie wären ein paar Schritte zurückgegangen, denn sie klingen so klassisch wie seit Snow nicht mehr. Und auch das ist gut so, da sie weder sich selbst noch ihren Meister Neal Morse kopieren (abgesehen vielleicht von Waiting For Me). Der Ausstieg von Nick D’Virgilio macht sich in kompositorischer Hinsicht eigentlich kaum bemerkbar, zumal ich seinen Stil immer mochte. Man merkt seine Abstinenz jedoch im Spielerischen. NDV ist zweifelsohne einer meiner 5 Lieblingsdrummer und er fehlt mir hier schon. Trotzdem haben sich Spock’s Beard mal wieder super gefangen und scheinen nicht nochmal drei Stilfindungsalben zu benötigen, wie das nach Snow der Fall war.
Schrieb ich nicht irgendwo mal, wem Spock’s Beard zu langweilig geworden sind, der solle zu Big Big Train greifen? Nun ja.. wem Big Big Train jetzt zu langweilig geworden sind, kann sich getrost die neue Spock’s Beard reinziehen! Welcome back, Fellas.

Bewertung: 

(Grundsolide)

 

Vergleichbar mit: 

Leonard klingt ziemlich nach Steve Walsh, aber auch kompositorisch höre ich hier und da mal Kansas raus. Genesis schwingt natürlich immer mit. Waiting For Me könnte auf einem Neal Morse Soloalbum erschienen sein.

 
 
 
 

 

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