Steven Wilson - Grace For Drowning (2011)

11.05.2013 18:08

Veröffentlichung: 2011

Genre/ Stil: Retro-Progressive Rock, Experimental Rock, Jazz Fusion

 

 

Besetzung:

Steven Wilson - Gesang, Keyboard, Bass, Gitarre, Percussion, Piano, Glockenspiel, Autoharp, Harmonium (was auch immer die letzten beiden sind)

Jordan Rudess - Piano

Theo Travis - Sax, Klarinette, Querflöte

Nic France - Schlagzeug

Tony Levin - Bass, Stick

Steve Hackett - Gitarre

Nick Beggs - Stick, Bass

Ben Castle - Klarinette

Pat Mastelotto - Schlagzeug

Markus Reuter - Gitarre

Mike Outram - Gitarre

Trey Gunn - Bass, Gitarre

London Session Orchestra, Chor, arrangiert von Dave Stewart

 
 

Titelliste:

Disc 1 - Deform To Form A Star

1. Grace For Drowning

2. Sectarian

3. Deform To Form A Star

4. No Part Of Me

5. Postcard

6. Raider Prelude

7. Remainder The Black Dog

Disc 2 - Like Dust I Have Cleared From My Eyes

1. Belle De Jour

2. Index

3. Track One

4. Raider II

5. Like Dust I Have Cleared From My Eyes

 

 

 

Gibt es einen Grund, Steven Wilson nicht zu mögen?

Ja, den gibt es. Und es gibt ihn gleich zehnmal. Oder meinetwegen auch zwanzigmal.

Ich mag Steven Wilson nicht.

Und so viel wird sich daran wohl demnächst auch nicht ändern. Er ist ein kleiner arroganter Gnom der das wenige, das er kann, gut verkaufen kann. Deswegen bin ich auch der Meinung, dass Grace For Drowning nicht von ihm kommt, sondern von Robert Fripp & The Masters Of Awkwardness.

Das Album ist grandios, durch und durch; es könnte das King Crimson Album sein, das 1975 auf Red hätte folgen sollen. Oder gar zwei Alben, bei der Länge.
Es ist düster, es ist unangenehm. Es ist experimentell, es ist abwechslungsreich. Es ist nicht schön, es ist nicht poppig. Es ist komisch, es ist unförmig.
Aber es ist trotzdem absolut spitze, weil es alles das nicht ist, was mich an Porcupine Tree bis auf wenige Ausnahmen ankotzt.

Aber wo holt der Steven das denn her?

Liegt es daran, dass er sich einfach mal mehr Zeit genommen hat? Nein, er hat dieses Jahr schon ein Blackfield Album rausgebracht, er hat ein Projekt mit Akerfeldt, arbeitet an den Crimson-Remasters, undundund. Nein, genug zu tun hat er eindeutig.

Liegt es an den Massen von Gastmusikern? Man muss zugeben; wenn DAS mal keine Liste an Stars ist, was dann? Steve Hackett, Tony Levin, Robert Fripp, Theo Travis, Jordann Rudess, Pat Mastelotto, Trey Gunn und (eigentlich eine Schande, diese als solche abzustempeln) „ein paar Jazz-Musiker“. Wenn man sich die Besetzung so anschaut, merkt man.. Irgendwie ist es schon King Crimson, oder? Levin, Gunn, Mastelotto.. Fripp nicht zu vergessen.. Und Wilson ist halt der neue Sänger. Nur ein was passt nicht: Die Musik kommt von Wilson. Und DAS ist die Sache, die mich auch stutzig macht. Denn bei PT macht er den Anschein als hätte er außer bei Tool geklaute Drop-D-Riffs nichts anderes auf dem Kasten. Dass er jetzt ein solch (fast über)ambitioniertes und abwechslungsreiches Album rausbringt, das versetzt mich in Staunen.

Seien es die komplex-verschachtelten Kracher wie Sectarian, Remainder The Black Dog oder teilweise auch No Part Of Me mit ihren knochentrockenen Bratzgitarren und-drums (die nicht nach Porcupine Tree klingen); seien es ruhigere Stücke, wie Deform To Form A Star oder Like Dust I Have Cleared From My Eyes (der Name hätte auch von Daniel Gildenlöw stammen können); seien es kleine, eigenwillige Kunstwerkchen, wie Track One mit seiner verstimmten Gitarre und dem herrlich unpassend bedrohlichen Mittelteil oder das sich stetig steigernde, unscheinbare Index. Selbst die drei kleinen Liedchen Grace For Drowning, Raider Prelude und Belle De Jour ergeben irgendwo Sinn, als Präludien, Intros oder Zwischenspiele.
Und dann gibt es natürlich noch den Monstertrack, einen der besten Tracks, die Wilson zu verantworten hat. Raider II ist Lizard II, ist A Plague Of Lighthousekeepers II, ist einfach geil. Vom Intro, in dem Wilson erst über einzelne tiefe Klaviertöne, dann über sich leicht einschleichende Holzbläser durchs Telefon singt, über den abrupten Einsatz der Band, den schleppenden Grooves, den schnellen Lark's-Tongues-artigen Riffs, den verjazzten Klarnetten- Klavier- und Flöten-Soli über verjazzte und verspielte, Bruford-artige Drums (bin ich froh, dass Harrison hier nicht spielt), über einzelne Drum-Machine Grooves und eingeworfene Akustikgitarren-Akkorde, bis hin zu Klangteppichen und dem erneut an Crimso erinnernden, verstörenden, ruhigen Schluss. Ja, das ist wirklich große Musik, und nebst dem gesamten Album würde ich es FAST als Meisterstück bezeichnen, aber.. da gibt es noch ein Problem, eins, das ich schon ganz am Anfang angesprochen habe-

Eigentlich mag ich Wilson ja garnicht.

Und es nervt mich, dass ich das Album so geil finde, denn das bedeutet ja, dass Wilson doch mehr kann, als er sonst immer zeigt. Allerdings ist das auch ein Grund zum Nicht-mögen, also bin ich zumindest halbwegs wieder aus dem Schneider, hehe! Ok- ich denke, ich bin eher sauer auf mich selbst, denn mit Grace For Drowning zeigt er, dass er es drauf hat wenn er will.

Jedenfalls, wenn Wilson, dann so, wenn Wilson, dann Grace For Drowning.
Wer sich Porcupine Tree anhört und denkt 'Ganz nett, gibt's das auch in kreativ?', ist hier richtig.

 

# Nachtrag November 2013: 

Ich würde hier gern noch etwas hinzufügen. Ich hab mich immer gefragt, wieso mir dieses eigentlich schon recht schwierige und abgefahrene Album von Anfang an so leicht zugänglich erschien. Ich sage nicht, dass das der einzige Grund ist, aber es wird wohl dazu beigetragen haben. Vieles auf dem Album kam mir von Anfang an bekannt vor- und es war mir in der Tat bekannt.
Ich hatte ja schon den Vergleich zu King Crimson gezogen. Nach einiger Zeit des King-Crimson-Studierens muss ich sagen- da hat sich Wilson stellenweise erschreckend skrupellos bedient, besonders in Bezug auf den zentralen Longtrack Radier II. Hier mal nur zwei Beispiele:

Die Gesangslinie bei Raider (ca. 3:20) - Die Gesangslinie bei Cirkus (Lizard, 1970) (ca. 0:55)
Das schnelle Riff bei Raider (ca. 8:10) - fast das gleiche Riff bei Level Five (The Power To Believe, 2003) (ca. 3:36)
Es gibt noch einige mehr, auch weniger offensichtliche. Und sicher auch noch welche, die ich noch nicht entdeckt habe.
Ich bin keiner von denen, die das verurteilen, oder deswegen ein Album gleich runterstufen. Für mich klingt The Doorway von Spock's Beard auch wie ein (sorry, aber) kläglicher Versuch die melodische Finesse und Schönheit von Firth Of Fifth (Genesis) mit der (auch wenn es komisch klingt) amerikanischen Power von Song For America (Kansas) zu vereinen. So schlecht finde ich den Song trotzdem nicht. 
Es ist mir nur aufgefallen und dachte ich schreibs mal dazu. Die Gemeinsamkeiten sind.. wie soll ich sagen - 'frippierend' (höhö)

 

Bewertung: 

Vergleichbar mit: 

King Crimson (Lizard, Lark's Tongues, The Power To Believe)

 
 
 
 
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