Yes - Relayer (1974)

11.05.2013 17:12

Veröffentlichung: 1974

Genre/ Stil: Progressive Rock

 

Besetzung:

Jon Anderson - Gesang

Patrick Moraz - Keyboards

Chris Squire - Bass

Steve Howe - Gitarre

Alan White - Schlagzeug

 

Titelliste:

1. The Gates Of Delirium

2. Sound Chaser

3. To Be Over

 

Yes sind unfasslich. Schon immer gewesen. Yes waren schon immer unfasslich gut. Schon auf ihrem sehr hardrockigem Debut zeigten sie ihr Können, das erste richtige Zeigealbum kam dann aber erst mit Fragile. Für viele Leute ist Close To The Edge Yes' Meisterstück. Vielleicht auch für mich. Aber..
..Relayer hat The Gates Of Delirium.
Hört man sich erst The Gates Of Delirium an und danach Close To The Edge, kommt zweiteres relativ arm und energielos rüber. Nicht falsch verstehen, ich will hier nicht bestreiten, dass Close To The Edge mit Supper's Ready DEN Track der 70er darstellt. Aber THE GATES- das legt nochmal eine Schippe drauf. UNGLAUBLICH.

War Close To The Edge ihr durchdachtestes und perfektestes Werk, so ist Relayer vielleicht ihr rockigstes, durchgeknalltestes und verhältnismäßig beklopptestes (von dem Kram von Crimso und VdGG fang ich garnicht erst an) Album. Viele schieben das Patrick Morazs in die Schuhe. Ich nicht. Die Hälfte geht bei mir in die Latschen von Steve Howe. Was der zurückhaltende Meister hier reinfrickelt ist unklar. Mit seiner schrillen, herrlichen Gitarre fliegt er förmlich über die ganze Musik hinweg und schüttelt sich Läufe aus dem Ärmel, von denen sich ein gewisser Artgenosse Roine Stolt gut und gern mal eine Scheibe abschneiden, und den anderen Teil nehmen könnte.
Natürlich bietet auch Relayer alle Faktoren, die es zu einem Yes-Album machen: treibenden (aber hier ganz und garnicht erdigen) Squire-Bass, ein zwischen aggressiv und halb eingebunden untergehendes White-Schlagzeug und natürlich den unglaublich rührenden, tollen Alt von Milchmann Jon Anderson. Genannter legt in Relayer sogar den Gesangspart seines Lebens ab. Wie ein Engel schließt er den völlig hirndurchbohrenden Longtrack durch seinen herzbrechenden Gesang ab: Soon! Egal, wie warm es ist, hier zittere ich immer; egal, welche Umstände herrschen, hier weine ich immer. Was für ein Gefühl, hier steht die Welt still!

Sowieso sollte man erstmal auf die Idee kommen, diesen tollen, ruhigen Track an einen solchen lauten, kranken Song dranzuhängen. Ohne eine auf den ersten Blick erkennbare Struktur musizieren, hämmern, frickeln und rummoren die Mannen um Meister Howe drauf los. Durchdenkt man das Werk erst einmal, merkt man jedoch, wie sehr auch es selbst durchdacht ist. Im perfekten Spannungsbogen wissen Yes, wann ein Thema genug ausgespielt ist um zu einem anderen zu wechseln, wann sie einen Ruhepunkt setzen müssen, bevor der Hörer völlig freidreht (auch, wenn man hier nicht wirklich von einem Ruhepunkt sprechen kann..), wann sie ausrasten dürfen. Das alles wird umrahmt von einem bis auf den letzten Ton ausgeschriebenen Klanggewand aus hämmernder Schießbude, rasender und fliegender Gitarre, treibendem Bass, Keyboardsounds und -läufe aus einem anderen Universum und Andersons wunderbarer Stimme. Yes musizieren sich die Seele heraus, geben alles, toppen alles und setzen immer wieder einen drauf. Wie grandios hier jeder einzelne Musiker spielt, sein eigenes Lied zu spielen scheint und mit jedem der anderen doch eine Einheit bildet - nicht zu fassen. Nie wieder wurde durch derartiges Gefrickel, derartigem Vollstopfen von 22 Minuten durch unendlich vielen Ideen eine solche Atmosphäre geschaffen. Oh ja, The Gates Of Delirium ist Yes' Meisterwerk in einem Lied, und zweifelsohne eins DER Meisterwerke der Musikgeschichte - und übertrifft dabei auch noch das sowieso schon unglaubliche Close To The Edge. Würde es bei Amazon sechs Sterne geben, würde ich hier nach sieben fragen.

Ist Gates jedoch einmal zu Ende, kann eigentlich nur ein Ruhepunkt (aber diesmal ein richtiger!) folgen. Aber weit gefehlt - Yes kommen auf die blöde Idee und setzen nach diesem Werk ihr bis heute lautestes, schnellstes, durchgeknalltestes und nervigstes Lied auf die Platte: Sound Chaser. Jeder spielt und singt sein eigenes Lied, jeder pocht drauf los. Zwischendurch gibt es auch noch ein Gitarrensolo - und zwar ein richtiges mit mehreren Minuten NUR Howe. Ein Leckerbissen. Und tierisch. Aber - weiß der Geier, wie - es funktioniert und macht Spaß. Und passt auch noch an seinen Platz! Mal wieder- unfasslich.

Setzen sie noch einen drauf? (bitte nicht!) - Gott sei dank, Yes kommen zur Vernunft und verzichten auf ein weiteres Frickelstück und begnügen sich mit einem ruhigeren Stück. To Be Over nennt sich besagtes. Nicht ganz schafft es, seinem Ziel, ein zweites And You And I zu sein, nachzukommen. Aber schön ist das Teil schon! Es beginnt mit diversen Arten von Gitarren, Sitars und wasweißichnicht, womit Howe eine ziemlich eigenartige Atmosphäre schafft. Der Mann ist ein Meister!
Zwei Sechzentel auf der Snare und Anderson fängt gelassen an zu singen. Sehr poppig das ganze. Aber nicht blöd. 'Ne Countryslidegitarre unterstützt das halb schmalzige Konzept. Die ist schon etwas krass, und ich würde sagen, hier haben wir es mit blanker Ironie zu tun, denn gleich darauf folgt ein Yes artiger Part, der aus dem Groove rausgeht. Und man höre da! Hat Howe in Nous Sommes Du Soleil Close To The Edge angespielt, so zitiert er in To Be Over Nous Sommes Du Soleil.. Witzig, die Idee!
Etwas sinfonisch wirds noch, bevor ein sehr schöner Ausklang die Anfangsstimmung wieder auf nimmt und zum Ende kommt. Ein großer Abschluss eines großen Albums!

Oh ja, Relayer ist nicht das Foxtrot, sondern das Selling England, nicht Dark Side Of The Moon, sondern das Animals von Yes ' soll heißen, ein versteckter Diamant, vielleicht sogar Yes' geheimes Meisterstück. Und auf jeden Falls eins DER Alben der 70er und der Musikgeschichte. Wer diese(s) Album/en nicht kennt, verpasst Musikgeschichte, kennt den Prog nicht.

Fazit:
Hört man Relayer das erste mal, ist es furchtbar (jaja, schlachtet mich ruhig) - Hört man es das zweite mal, reagiert man ungläubig (wie kann man sowas nur gut finden) - Hört man es das dritte mal, kommt beides zusammen, beim vierten mal gewöhnt man sich dran (Augen zu und durch) ' ...

Irgendwann liebt man es.

 

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Nichts.

 
 
 
 
 

 

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